Ce 2/2 72 mit «seinem» Anhängewagen C 702 1931 auf der Linie 6. Auf dieser Linie verkehrte das Gespann nur wenige Tage.
© B.St.B./BVB (Sammlung Dominik Madörin, CH-Ettingen)
 

Der zweite Mustertramzug mit längeren, zweiachsigen Fahrzeugen neben dem Ce 2/2 201 und dem C 423 bestand aus dem Motorwagen Nr. 72 und dem Anhänger Nr. 702. Sowohl der Motor- als auch der Anhängewagen wurden von der Schweizerischen Wagons- und Aufzügefabrik AG (SWS) in Schlieren erbaut und wiesen zahlreiche Neuerungen auf. Am auffälligsten waren der Mitteleinstieg und der gegenüber herkömmlichen Zweiachsern rund eineinhalb Meter längere Wagenkasten in angenäherter Hechtform sowie die vollständige Abtrennung der Führerstände von den Abteilen durch Trennwände mit Schiebetüren.

Die Dachausrüstung wies keine Besonderheiten auf: Lyrabügel, Wagenautomaten, Blitzschutzvorrichtung und Anfahr-/Bremswiderstände. Über den Führerständen befanden sich ausser den kleinen Dachreflektoren die Dachrutenkupplungen, die Signalleuchtenkästen sowie die drehbaren Liniennummernschilder.

Der Wagenboden der mit einer Länge von 2’100 mm recht grosszügig bemessenen Mittelplattform lag 620 mm über der Schienenoberkante, so dass zu den 230 mm höher liegenden Abteilen eine weitere Stufe überwunden werden musste.

Der Abstand der rollengelagerten Starrachsen betrug 3’300 mm. Die Ausrüstung des Untergestells wurde durch automatische Lattenfender mit davorliegenden Tastern vervollständigt. Die ursprünglichen GTM 3i-Motoren von Brown Boveri & Cie. (BBC) mit je 66 PS wichen 1932 solchen des Typs BBC GTM 132 mit je 74 PS. Die Druckluftbremseinrichtung für den Musterwagen wurde übrigens aus Kostengründen zuvor beim Ce 2/2 176 oder 177 ausgebaut.

Nur für eine kurze Zeit unmittelbar nach der Ablieferung kam der Ce 2/2 72 zusammen mit «seinem» Anhängewagen C 702 auf der Linie 6 von Allschwil nach Riehen/Lörrach sowie auf der Strecke nach Pratteln zum Einsatz. Der Mitteleinstieg erwies sich auf Linien mit kurzen Haltestellenabständen als nachteilig. Daher erfolgte die Versetzung auf die Vorortslinie 11.

Technische Daten bei Inbetriebsetzung:

Typenbezeichnung: Ce 2/2
Anzahl Wagen: 1
Wagennummern: 72 (ab 1948 Nr. 302)
Im Linienbetrieb: 1931 bis 1950

Mechanischer Teil: SWS
Elektrische Ausrüstung: BBC
Anschaffungskosten/Wg.: CHF 68’000.–

Länge über alles: 10’870 mm
Grösste feste Breite: 2’200 mm
Grösste feste Höhe: 3’780 mm
Radsatzabstand: 3’300 mm
Radsatzfolge: Bo
Dienstgewicht: 15’400 kg
Sitz-/Stehplätze: 22/20
Höchstgeschwindigkeit: 30 km/h

Anzahl Fahrmotoren: 2
Hersteller/Typ: BBC GTM 3i
Stundenleistung: 2 x 66 PS bzw. 2 x 49 kW
Übersetzungsverhältnis: 1:5,71

Bremsen: elektrische Widerstandsbremse, Zweikammer-Druckluftbremse, Magnetschienenbremse, Handbremse, Einrichtungen für Anhängewagen-Solenoidbremse

Am 14. Dezember 1935 kam es in der unübersichtlichen Kurve bei der damaligen Haltestelle Brauerei (heute Landererstrasse) in Reinach zu einer Frontalkollision zwischen dem Ce 2/2 72 und dem Ce 2/2 175. Während beim Wagen 175 die vordere Plattform stark eingedrückt wurde, erlitt der schwerere und höher gebaute Ce 2/2 72 vergleichsweise geringe Beschädigungen. Er konnte am 28. Januar 1936 die Werkstätte bereits wieder verlassen. Rund 15 Personen wurden beim Unfall auf der eingleisigen Strecke verletzt.

Das Fahrverhalten des Mitteleinstiegwagens erwies sich wenig befriedigend. Die Basler National-Zeitung, mit Kritik an den B.St.B. selten zurückhaltend, schrieb in ihrer Ausgabe vom 1. November 1932: «Die Passagiere haben bald erkannt, dass der Transport in irgend einem Pritschenwägelchen ein Hochgenuss sein müsse im Vergleich mit der Fahrt in einem dieser Mittelperronzweiachser.» Häufig vorkommende Feder- oder Bolzenbrüche wiesen ebenso auf Konstruktionsmängel hin. Im September 1933 erfolgte Änderungen bei der Abfederung brachten nicht den gewünschten Erfolg.

Die tiefliegende Mittelplattform verunmöglichte einen ähnlichen Umbau zum Dreiachser, wie er beim Anhängewagen 702 durchgeführt wurde. Als 1950 für die Ausbildung der Wagenführer ein Instruktionswagen hergerichtet werden sollte, bot sich der Rückzug des nunmehrigen Ce 2/2 302 aus dem Fahrgastbetrieb an. Die schlechten Laufeigenschaften spielten bei der Verwendung als Schulungsfahrzeug mit der neuen Bezeichnung Xe 2/2 2060 keine Rolle.

Angenehm für den Wagenführer: Von den Abteilen durch Trennwände mit Schiebetüren vollständig abgetrennte Führerstände.
© Werkaufnahme SWS (Sammlung Dominik Madörin, CH-Ettingen)

Spätere Änderungen (Auswahl):

Fahrzeugporträt

Ce 2/2 72

→ ab 1948 Ce 2/2 302

Inbetriebsetzung: 30.06.1931
Ausmusterung: –

Verbleib: ab 14.02.1951 Dienstwagen Xe 2/2 2060

Zuletzt aktualisiert am 31. Dezember 2023 von Dominik Madörin