Heuwaage-Bahnhof der Birsigthalbahn kurz nach der Eröffnung um 1900.
© Ansichtskarte Sammlung Dominik Madörin, CH-Ettingen

Nur wenigen dürfte bekannt sein, dass das «Glettyseli» (Bügeleisen), wie die Birsigthalbahn (BTB) mit ihrem damals rauchenden Tramwaylokomotiven von boshaften Mäulern getauft worden ist, einst von der Heuwaage weiter durch die «Torsteinen» bis zum Vierlindenbrunnen, bei der Abzweigung des Klosterberges von der Steinentorstrasse, gefahren ist. Als die Basler Strassenbahnen (B.St.B.) 1899 mit dem Bau einer neuen Strecke vom Barfüsserplatz in Richtung Allschwil begannen (grüne Linie), mussten die Gleise der BTB in der Steinentorstrasse weichen und die Endstation zur Heuwaage zurückverlegt werden. Auf Kosten der B.St.B. wurde parallel zur Binningerstrasse eine neue, viergleisige Anlage errichtet, welche ab 2. April 1900 zur Verfügung stand.

Die Pläne für das schmucke Stationsgebäude mit Uhrentürmchen im Jugendstil stammten vom Architekturbüro Faesch & Werz 1). In seinem Innern war das Gebäude in zwei voneinander abgetrennte Bereiche aufgeteilt. Gegen die Gleise hin befanden sich ein Büro für den Stationsvorstand mit Billettschalter, ein Gepäckraum sowie Wartesäle für Fahrgäste der 2. und 3. Wagenklasse. Im hinteren Bereich waren grosszügige WC-Anlagen und Pissoirs untergebracht.

Es ist sicher einmalig, dass der Bahnhof der Birsigthalbahn den Basler Strassenbahnen gehörte und die BTB dort nur «zu Miete» gewesen ist, anfänglich für 1’000, später dann für 4’000 Franken im Jahr. Nach mehr als vier Jahrzehnten und der Entrichtung von fast 100’000 Franken Mietzins entschloss sich der Verwaltungsrat der BTB, Verhandlungen über den Erwerb des schmucken Riegelbaus einzuleiten. 1944 gelang es, das Gebäude für 26’000 Franken von den B.St.B. zu übernehmen. Anschliessend wurde es nach Plänen des Architekturbüros Suter & Burckhardt renoviert und modernisiert.

86 Jahre lang erfüllte das Bahnhöfchen seinen Zweck. Im März 1984 präsentiert sich das leicht modernisierte Gebäude mit Kioskanbau aus jüngerer Zeit.
© Dominik Madörin, CH-Ettingen (Bild-Nr. -)

86 Jahre lang erfüllte das Bahnhöfchen seinen Zweck, zuerst noch kurze Zeit für die Dampfzüge, dann für die elektrischen BTB-Triebwagen und von 1984 an für die gelben Gelenk-Motorwagen der Linie 17 der Baselland Transport AG (BLT), solange diese noch an Heuwaage wenden mussten und nicht nach Dornach oder zum Wiesenplatz weiterfuhren.

Als im Zuge der Verknüpfung der beiden Tramlinien 10 und 17 auf der Heuwaage weitere Gleise verlegt werden mussten, stand das Bahnhofsgebäude im Weg. Zuerst schlug die BLT vor, es in die Grünanlage vor dem Heuwaage-Hochhaus zu versetzen. Dieser Platz erwies sich jedoch als ungeeignet. Eingezwängt zwischen Hochhaus und Strassenviadukt wäre das kleine Gebäude völlig untergegangen. Da kam eine Anfrage aus Rheinfelden gelegen: Die Brauerei Feldschlösschen wollte den bevorstehenden Umbau des Rheinfelder Bahnhofs nutzen, um für ihren Nostalgie-Eisenbahnzug ein eigenes Aufnahmegebäude zu errichten. Nach kurzen Verhandlungen kauften die Bierkönige aus der Zähringerstadt das Heuwaage-Bahnhöfli für 20’000 Franken und sicherten gleichzeitig die Übernahme der Kosten für Abbau, Transport und Wiederaufbau zu.

Bei den Demontagearbeiten wurde das Gebäude Stück für Stück zerlegt, die Holzteile nummeriert und eingelagert. Dabei kam auch das Riegelwerk wieder zum Vorschein, welches zuvor jahrzehntelang unter Putz und Holzverkleidungen verschwunden war.
© Dominik Madörin, CH-Ettingen (Bild-Nr. -)

Nach dem Umzug der BLT-Auskunfts- und Verkaufsstelle in die Steinentorstrasse begannen die Abbauarbeiten im Herbst 1986. Während fünf Wochen wurde das Gebäude sorgfältig zerlegt und Stück für Stück abgetragen. Alle Holzteile wurden nach der Kennzeichnung gebündelt und vorerst eingelagert.

Der Wiederaufbau südlich der SBB-Geleise in Rheinfelden, dort wo einst ein Lager einer Zigarrenfabrik stand, konnte erst Ende 1988 in Angriff genommen werden. Mit viel Fingerspitzengefühl und Sachverstand wurde das Gebäude in seinen Urzustand zurückgeführt und Stilbrüche als Folge von Umbauten rückgängig gemacht. Störende Anbauten wie etwa der Kiosk aus jüngerer Zeit liess man weg. Verschiedene schadhafte Teile mussten renoviert, repariert oder durch Nachbauten ersetzt werden.

Offensichtlich liess das Budget aber keinen Innenausbau zu, nicht einmal eine Decke zwischen Erdgeschoss und Dachstuhl wurde eingebaut. Das Gebäude war so nicht nutzbar und konnte nur als Kulisse dienen, zusammen mit dem daneben aufgestellten Semaphor-Formsignal und weiteren historische Utensilien.

Wiederaufbau in Rheinfelden: Im Frühjahr 1989 konnte Aufrichte gefeiert werden.
© Dominik Madörin, CH-Ettingen (Bild-Nr. -)

Mit dem Tram nach Rheinfelden

Extrafahrt nach Rheinfelden am 6. September 1989: Gästetramzug, bestehend aus Be 4/6 261 (zu Be 4/6 264II umnummeriert) und Be 4/8 252, auf der Rückfahrt von Pratteln bei der Haltestelle Güterbahnhof (heute Gempenstrasse).
© Dominik Madörin, CH-Ettingen (Bild-Nr. 7.1221)

Eine Extrafahrt mit dem Tram vom Leimental nach Rheinfelden leitete am 6. September 1989 die Einweihungsfeier des «neuen» Feldschlösschen-Gästebahnhofs ein. Die geladenen Teilnehmer konnten einen vom Depot Hüslimatt her kommenden Tramzug, bestehend aus Be 4/6 261 und Be 4/8 252, besteigen und sich via Bahnhof SBB bis nach Rheinfelden fahren lassen. In Pratteln musste das Tram – war es wirklich dasselbe? – allerdings die Bahn nehmen und sich nach Rheinfelden schieben lassen.

In Pratteln nahm das Tram die Bahn: Der auf einen SBB-Rollschemel Uaikk verladene Be 4/6 264 steht für die Weiterfahrt nach Rheinfelden bereit.
© Dominik Madörin, CH-Ettingen (Bild-Nr. 7.1225)

Natürlich war es nicht derselbe Motorwagen, der sich in Pratteln auf dem SBB-Rollschemel Uaikk befand, sondern der Be 4/6 264. Um die Täuschung perfekt zu machen, wurden beide Be 4/6-Motorwagen mit gleichen Werbetafeln, Blumenbouquets sowie Wagennummern versehen. Und ein kleines Stück rotes Klebeband machte aus dem Be 4/6 261 vom Vormittag den Be 4/6 264II… So konnte man wirklich meinen, es sei dasselbe Tram, welches von der Hüslimatt nach Rheinfelden durchfuhr, und sich wie von selbst auf den Normalspurgleisen der SBB bewegte! Der ganze Zug bestand übrigens aus dem Be 4/6 264 auf Uaikk, vier weitere leere Uaikk, dem TmIV 8770, sowie zwei Reisezugwagen EW II. Von dem in der Zugsmitte eingereihten TmIV aus wurde der Zug mit dem vollbesetzten Tram an der Spitze geschoben, ein heute wohl kaum mehr umsetzbares Unterfangen!

Der Be 4/6 264 auf seiner grössten Fahrt an der Spitze des Zuges von Pratteln nach Rheinfelden. Der Motorwagen wurde im März 2024 nach einer Grossübung des Kantonalen Führungsstabs Basel-Landschaft abgebrochen.
© Dominik Madörin, CH-Ettingen (Bild-Nr. 7.1233)

Verschiedene Ansprachen von «Spitzenvertretern» aus Politik und Wirtschaft sowie von Tram und Bahn umrahmten die Einweihung des «neuen» Gästebahnhofs der Brauerei. Symbolische übergab BLT-Verwaltungsratspräsident und Regierungsrat Edi Belser das Bahnhöfli der Brauerei, indem Mütze und Befehlsstab des letzten Heuwaage-Bahnhofvorstands zu Dr. Fritz Schur, dem Vorsitzenden der Zentraldirektion der Feldschlösschen-Gruppe, hinüberwechselten.

Gleichzeitig mit der Bahnhofs-Einweihung feierte Feldschlösschen «100 Jahre Gleisanschluss». Über 12’000 Bierwagen fuhren seinerzeit jährlich über das eigene Anschlussgleis in die Brauerei hinauf. 2022 sollen es noch 9’000 gewesen sein…

Ankunft in Rheinfelden: Wie echt gleitet der Tram-Motorwagen über die SBB-Gleise am Bahnhöfchen vorbei!
© Dominik Madörin, CH-Ettingen (Bild-Nr. 7.1240)

1) Der Architekt Emil Faesch (1865–1915) war unter anderem auch am Entwurf der Perronhallen und an der Gestaltung der Fassade des Aufnahmegebäudes des Basler Centralbahnhofs beteiligt.

Zuletzt aktualisiert am 20. April 2024 von Dominik Madörin