Ce 4/4 401 im Ablieferungszustand bzw. Ce 4/4 450 im heutigen Zustand als Restauranttram.
© Werkaufnahme SIG (Sammlung Dominik Madörin, CH-Ettingen) bzw. © Dominik Madörin, CH-Ettingen (Bild-Nr. 76.354)

Der als Ce 4/4 401 abgelieferte Motorwagen ist wohl das populärste Tram in Basel. Die in Personalkreisen entstandene Bezeichnung «Dante Schuggi» (dt. «Tante Julie») ist längst zum Allgemeingut geworden. Die alte Tante hat eine überaus bewegte Geschichte hinter sich – als die Schlosser mit dem Zusammenbau des Untergestells begannen, war Erzherzog Franz Ferdinand noch am Leben. Kurz darauf wurde der Thronfolger Österreich-Ungarns erschossen.

Der Vierachser mit passendem Anhänger C4 451 wurde im Hinblick auf den Bau einer Überland-Strassenbahnlinie von Basel über Muttenz und Pratteln nach Liestal bei der Schweizerischen Industrie-Gesellschaft (SIG) in Neuhausen bestellt. Noch vor dem Ersten Weltkrieg erbaut, wurde der Versuchszug an der Landesausstellung 1914 in Bern präsentiert.

Der Ce 4/4 401 wies einen Niederflureinstieg auf, hatte mit braunem Leder gepolsterte Sitze, Raucher- und Nichtraucherabteile und einen eleganten Scherenpantograph. Als weitere  technische Neuerungen erwähnenswert sind Druckluftbremse, Übergangstüren und vom Fahrgastabteil abgetrennte Führerstände. Die Inbetriebsetzung erfolgte am 6. Mai 1915.

Das genietete Untergestell massiver Bauart trug den Wagenkasten und ruhte unter Zwischenschaltung von Blattfedern auf den beiden zweiachsigen Drehgestellen. Die Längsträger der Drehgestelle waren mittels Schraubenfedern unterhalb der Kugellagerachsbüchsen aufgehängt. Jedes Rad wurde mit einem Bremsklotz abgebremst. Das Bremsgestänge war an der Aussenseite der Drehgestelle angebracht, wodurch dessen Einregulierung und Revision sehr erleichert wurden. Die Handbremse wirkte jeweils nur auf ein Drehgestell. Zwischen den Rädern lagen die Schienenbremsmagnete. Die Tatzlagermotoren von Brown Boveri (Typ GTM 3) mit kugelgelagerten Ankern lagen ausserhalb der Radsätze. Nur so konnte der kurze Radsatzabstand von lediglich 1’400 mm realisiert werden.

Ce 4/4 401 nach dem Ersatz des Pantographen durch einen Lyrabügel (Aufnahme um 1917).
© B.St.B./BVB (Sammlung Dominik Madörin, CH-Ettingen)

Die anfänglich luxuriöse Jugendstil-Inneneinrichtung wich um 1920 einer profanen Holzbestuhlung, der elegante Pantograph wurde 1916 bis 1935 durch einen üblichen Lyrabügel ersetzt.

Der erste Abschnitt der geplanten Strasenbahnlinie nach Liestal wurde erst 1921 eröffnet. So kam der Prototyp nach seiner Inbetriebnahme auf die Linie 11. Dieser Linie blieb das Fahrzeug bis zur Ausmusterung treu. Lediglich 1949, als die Schlaufe in Allschwil erweitert worden war, verkehrten die grossen Motorwagen 301 bis 303 sowie die «Dante Schuggi» kurzzeitig auf der Linie 9.

Technische Daten bei Inbetriebsetzung:

Typenbezeichnung: Ce 4/4
Anzahl Wagen: 1
Wagennummer: 401 (ab 1929 Nr. 450, ab 1947 Nr. 400, ab 1993 Nr. 450)
Im Linienbetrieb: 1915 bis 1972

Mechanischer Teil: SIG
Elektrische Ausrüstung: BBC
Anschaffungskosten: CHF 58’800.–
Länge über alles: 12’850 mm
Grösste feste Breite: 2’170 mm
Grösste feste Höhe: 4’100 mm
Radsatzabstand im Drehgestell: 1’400 mm
Drehgestellmittenabstand: 6’000 mm
Radsatzfolge: Bo’Bo‘
Dienstgewicht: 20’500 kg
Sitz-/Stehplätze: 28/20
Höchstgeschwindigkeit: 30 km/h

Anzahl Fahrmotoren: 4
Hersteller/Typ: BBC GTM 3
Stundenleistung: 4 x 43 PS bzw. 4 x 32 kW
Übersetzungsverhältnis: 1:5,5

Bremsen: elektrische Widerstandsbremse, elektrische Gegenstrombremse, direkt wirkende Druckluftbremse, Magnetschienenbremse, Handbremse, Einrichtungen für Anhängewagen-Solenoidbremse

Der ab 1929 als Ce 4/4 450 und ab 1947 als Ce 4/4 400 bezeichnete Motorwagen erlitt während seiner langen Laufbahn einige, teils spektakuläre Unfälle: Am 15. Oktober 1933 krachte er beim Heiligholz frontal mit dem Wagen 71 (später 301) zusammen. Am 19. März 1941 erlitt er beim Depot Dreispitz eine weitere schwere Frontalkollision mit dem Be 2/3 3 der Birseckbahn AG (BEB). Am 19. April 1955 kollidierte er beim Denkmal heftig mit einem Lastwagenzug. Am 2. November 1988 fuhr er beim Hechtliacker einem Kurszug auf, was dem mitfahrenden Hochzeitspaar einen Spitalaufenthalt bescherte.

Nach dem Umbau zum Einrichtungswagen und nun als Be 4/4 400 bezeichnet steht die «Dante Schuggi» am 12. Juli 1959 mit einem stattlichen Zug auf dem Aeschenplatz zur Abfahrt nach Aesch bereit.
© P. Boehm (Sammlung Dominik Madörin, CH-Ettingen)

Der Unfall vom April 1955 bildete den Anlass für eine gründliche Modernisierung. Diese umfasste auch den Umbau zum Einrichtungswagen. In diesem Zustand blieb die «Dante Schuggi» bis zu ihrer Ausrangierung am 31. Oktober 1972. Zu diesem Zeitpunkt betrug die Laufleistung beachtliche 3’469’735 Kilometer!

Der Tramclub Basel (TCB) konnte den markanten Vierachser vor dem Abbruch retten und remisierte ihn in der Abstellanlage Eglisee. Als Anfangs der Achtzigerjahre die Idee eines Basler Restauranttrams entstand, erinnerte man sich der «Dante Schuggi», und der TCB gab den Wagen den Basler Verkehrs-Betrieben (BVB) zurück.

Nach einer gründlichen Revision fand im Jahre 1985 die Wiederinbetriebnahme als Speisewagentram im dunkelgrünen Farbkleid und der Nummer 400 statt. Ende 1993 erfolgte eine Neubemalung in hellgrün. Gleichzeitig erhielt die Königin der Oldtimerflotte ihre alte Nummer und Bezeichnung Ce 4/4 450 zurück.

Ein im Zusammenhang mit dem Umbau der Schienenbremsen erfolgter Verfahrensfehler führte von Januar 2015 bis November 2017 zur Stilllegung des Wagens (vgl. Kasten).

Auskünfte über Extrafahrten unter www.bvb.ch, im BVB-Kundenzentrum am Barfüsserplatz, per Mail an extrafahrten@bvb.ch oder Tel. +41 61 685 14 14.

Namen anlässlich des Jubiläums «60 Jahre BVB» (1955)

Ce 4/4 400: Dante Schuggi

Lebenslauf einer legendären Dame

06.05.1915 Die «Dante Schuggi» wird in Betrieb genommen und dem Depot Aesch zugeteilt
1919/1922 Wagenkasten, Rahmen und Drehgestelle mehrfach verstärkt
05.1916 Ersatz des Scherenstromabnehmers durch einen Lyrabügel
1920 Die anfänglich luxuriöse Inneneinrichtung im Jugendstil weicht einer pragmatischen Holzbestuhlung. Die direkte Luftbremse wird auf indirekt wirkend abgeändert
1925 Optische Signalgebung und Dachrutenkupplungen
21.05.1929 Umnummerierung in Ce 4/4 450
15.10.1933 Unterwegs mit den Anhängern C 333, C4 451 und C 345 kollidiert die «Dante Schuggi» beim Heiligholz auf der eingleisigen Strecke zwischen Gartenstadt und Reinach frontal mit einem verspäteten, nur sonntags verkehrenden Tramzug, bestehend aus Ce 2/2 71 + C 347 + C 701
05.1935 Ersatz des Lyrabügels durch einen BBC-Scherenstromabnehmer
19.03.1941 Wegen einer falsch gestellten Weiche beim Wolfgottesacker ereignet sich eine Frontalkollision mit einem Zug der Birseckbahn (Ce 2/3 3 + C 23). Ein Fahrgast wird getötet, zahlreiche weitere verletzt
1941 Im Zusammenhang mit der umfangreichen, bis im April 1942 dauernden Kollisionsreparatur wird die Bremsanlage umgebaut
09.1945 Neuer Hasler-Tachograph an Stelle des ursprünglichen Sirius-Tachometers
1950 Aufbau von Brosebandkästen
02.10. 1946 bis 28.02.1947 Die «Dante Schuggi» wird umgebaut. Sie erhält vier neue Motoren BBC GTM 3b mit je 50 PS, einen neuen Fahrschalter mit Wegfall der Gegenstrombremse sowie einen neuen Rotationskompressor
02.12.1947 Umnummerierung in Ce 4/4 400
19.04.1955 Kollision mit einem ausländischen Lastwagen beim St. Jakobs-Denkmal. Die Schäden sind so erheblich, dass die «Dante Schuggi» zu einem Einrichtungsfahrzeug umgebaut und modernisiert wird: Führerstand für sitzende Bedienung, pneumatische Falttüren an der rechten Seite, Entfernung der Abteiltüren und Brosebandkästen, Anhebung des Einstiegbereichs, Verlegung des Kompressors unter den Wagen, gepolsterte Sitze, Leuchtstoffröhren-lnnenbeleuchtung, Dachreklametafeln, neue Motoren BBC GTM 3i (4 x 66 PS). Die Arbeiten dauern bis zum 20. September 1956
1955 Anlässlich des 60. Geburtstags der BVB wird der Ce 4/4 400 offiziell auf den Namen «Dante Schuggi» getauft
11.1966 Einbau von vier neuen Motoren BBC GTM 132 mit je 74 PS
1967 Ausrangierung des passenden Anhängers B 1400 und Abbruch im Rahmen einer Feuerwehrübung. Diese Aktion trug massgeblich zur Gründung des Tramclubs Basel (TCB) bei
09.09.1969 Die «Dante Schuggi» wird von einem Blitz getroffen und muss deshalb acht Tage dem Dienst fernbleiben
31.10.1972 Nach eine Laufleistung von 3’469’735 Kilometern wird die «Dante Schuggi» ausrangiert und an den Tramclub Basel abgegeben, der sie im Eglisee unter freiem Himmel remisiert
1982 Anlässlich der Ausstellung «Eisenbahn 82» in den Hallen der Mustermesse verkehrt das Berner Restauranttram in Basel – und wird von den Baslerinnen und Baslern regelrecht gestürmt. Die BVB beschliessen, die «Dante Schuggi» zum Restauranttram umzubauen
1983 Überführung in die Hauptwerkstatt Klybeck
04.1984 Begin der Revision und Rücknahme in den Bestand der BVB
13.06.1985 Erste Probefahrt nach der Revision. Aus der «Dante Schuggi» ist ein richtiges Bijou geworden!
26.09.1985 Am 90. Geburtstag der BVB findet das «Dante Schuggi Fest 1985» statt. Von diesem Tag an ist der legendäre Motorwagen als rollendes Restaurant mit der Bezeichnung Ce 4/4 400 unterwegs
02.11.1988 Auf ihrer Fahrt mit einem Hochzeitspaar übers Bruderholz verursachte die «Dante Schuggi» einen spektakulären Unfall. Laub auf den Schienen bewirkte, dass der Tramzug auf die Bremsversuche des Wagenführers nicht ansprach und auf den vorausfahrenden Kurs der Linie 16 auffuhr. Sieben Leichtverletzte waren die Folge; die Schäden am Restauranttram hielten sich in Grenzen
29.11.1993 Umnummerierung in Ce 4/4 450, verbunden mit einer hellgrünen Neubemalung. Gleichzeitig erfolgte die Wiederinbetriebnahme des B3 702
18.08.2004 Brand im Depot Wiesenplatz. Die «Dante Schuggi» kann in letzter Sekunde aus der brennenden Remise gezogen und gerettet werden
12.04.2014 lm Depot Dreispitz feiert die «Dante Schuggi» im Kreise ihrer Familie und Freunde ihren hundertsten Geburtstag. Alles Gute, liebe «Schuggi», bleib auf Kurs!
01.2015 bis 11.2017 Umbau der Schienenbremse. Unter anderem aufgrund von Differenzen mit der Aufsichtsbehörde bleibt die «Dante Schuggi» zweienhalb Jahre ausser Betrieb (vgl. Kasten)!

Fahrzeugporträt

Ce 4/4 401 «Dante Schuggi»

→  ab 1929 Ce 4/4 450, ab 1947 Ce 4/4 400, ab 1956 Be 4/4 400, ab 1985 Ce 4/4 400, ab 1993 Ce 4/4 450

Inbetriebsetzung: 06.05.1915
Ausmusterung: 31.10.1972

Verbleib: an Tramclub Basel (Be 4/4 400)

Wiederinbetriebnahme: 26.09.1985 (als Restauranttram)
Ausmusterung: –

15.10.1933: Kollision mit Wagen 71 (später 301)
19.03.1941: Kollision mit Be 2/3 3 (Birseckbahn)
19.04.1955: Kollision mit LKW, anschliessend Umbau zum Einrichtungswagen
1984–85: Umbau zum Restauranttram

Ergänzende Literatur

1. Publikationen

Bundesverwaltungsgericht, Abteilung I: Urteil A-3597/2015 vom 8. März 2016
(.pdf-Dokument, 0.3 MB, © 2016 Bundesverwaltungsgericht, Abteilung I)

Zuletzt aktualisiert am 25. November 2023 von Dominik Madörin