Wartehalle Bruderholz, eine einfache, von einem Pultdach eingedeckte und durchaus als modern zu bezeichnende Holzkonstruktion aus dem Jahre 1937.
© Dominik Madörin, CH-Ettingen (Bild-Nr. D8B_2205)

Kleinbauten prägen den öffentlichen Raum und damit unseren Alltag. Doch nehmen wir diese Kleinarchitekturen überhaupt bewusst wahr? Können wir etwa das Wartehäuschen beschreiben, in dem wir tagtäglich auf das Tram oder den Bus warten? Bereits seit einiger Zeit sind die Kleinbauten mit ihren verschiedenen Funktionen im Bewusstsein der Kantonalen Denkmalpflege Basel-Stadt, da ihnen häufig der Abbruch droht. Eine spezielle Gruppe bilden die Tram- und Buswartehäuschen, mit denen sich die Abteilung Inventarisation der Kantonalen Denkmalpflege Basel-Stadt näher auseinandergesetzt hat.

Mit freundlicher Genehmigung der Denkmalpflege darf der äusserst fundierte Artikel der Autoren Romana Anselmetti und Stefanie Magel publiziert werden. Er ist mit Bildern aus dem eigenen Archiv illustriert. In einem zweiten Teil wird auf die sogenannten Normwartehallen der Basler Verkehrs-Betriebe (BVB) eingegangen.

Die Stadt möblieren

Im Verlauf des 19. Jahrhunderts entstanden in den stark anwachsenden europäischen Städten verschiedene Typen von Kleinbauten im öffentlichen Raum. Litfasssäulen, Kioske, Toilettenhäuschen, Telefonkabinen und Wartehäuschen begannen als Stadtmobiliar zusammen mit dem spezifischen Strassenbelag
oder der jeweiligen Stadtbeleuchtung das Stadtbild wesentlich mitzuprägen. Oft nur unbewusst wahrgenommen, verfügen diese Kleinarchitekturen doch über eine grosse identitätsstiftende Wirkung für das jeweilige Stadtbild. Nicht nur in Grossstädten wie Berlin, Wien oder Paris ist das Stadtmobiliar für das jeweilige Flair des Strassenraums verantwortlich, sondern auch hierzulande trägt es wesentlich zum Ausdruck einer Stadt bei.

Das 1908 von Gustav und Julius Kelterborn errichtete Stationsgebäude am Aeschenplatz mit gedecktem Perron und Wendeschleife. Foto kurz nach 1908. Während das Stationsgebäude immer noch steht, hat sich die Häuserkulisse im Hintergrund merklich verändert.
© Sammlung Dominik Madörin, CH-Ettingen

Ins Abseits geraten

Die Denkmalpflege hat sich in den vergangenen Jahren immer häufiger mit Kleinbauten beschäftigt. Im Berichtsjahr [2019] sind die Tram- und Buswartehäuschen in den Fokus der Inventarisation gerückt. Anlass dafür ist der drohende Abbruch des Stationsgebäudes der ehemaligen Endhaltestelle der Tramlinie 3 an der Burgfelderstrasse, das 1959 nach Plänen von Kantonsbaumeister Julius Maurizio errichtet wurde. Architektur- und städtebaugeschichtlich wertvoll, befindet es sich seit 2012 im Inventar der schützenswerten Bauten. Das L-förmige Stationsgebäude zählt zu den aufwendiger gestalteten Bauten und verfügte ursprünglich neben einem Wartebereich mit Sitzbank über Kiosk, Telefonkabine, Personalraum und Toiletten. Die elegante, zeittypische Konstruktion aus Beton und Backstein wird von einem Flachdach abgeschlossen, das im Bereich des Kiosks abgerundet ist und von einer schlanken Stütze getragen wird. In der ursprünglichen Farbigkeit kontrastierte roter Backstein mit in BVB-Grün gestrichenen Details. Mittlerweile sind die einstige Wendeschlaufe und die Abstellgleise abgebaut worden, der Kiosk ist geschlossen und das Gebäude, das einst ein Begegnungsort an der Stadtgrenze war, verwaist immer mehr und ist zunehmendem Vandalismus ausgesetzt. Dringend braucht es hier eine neue Nutzung, um die sorgfältig gestaltete, für ihre Zeit typische Kleinarchitektur in die Zukunft zu führen.

Ehemalige Endhaltestelle Burgfelden Grenze, heute Waldighoferstrasse (Aufnahme vom 6. März 2019). Das Stationsgebäude mit elegant geschwungenem Flachdach errichtete 1959 Kantonsbaumeister Julius Maurizio. Nach der Verlängerung der Linie 3 nach Saint-Louis wurden die Wendeschleife und die Abstellgleise abgebaut. Auch der Kiosk ist mittlerweile geschlossen; der zeittypischen Kleinarchitektur droht der Abriss.
© Dominik Madörin, CH-Ettingen (Bild-Nr. D8B_8751)

Warten auf Tram und Bus

Basels Karriere als Tramstadt begann Ende des 19. Jahrhunderts. Am 6. Mai 1895 verkehrte die erste elektrische Strassenbahn zwischen Centralbahnhof und altem Badischen Bahnhof am Riehenring. Es folgte ein rascher Ausbau der Linien und bis zum Zweiten Weltkrieg entstand ein engmaschiges, stark befahrenes Tramnetz mit Verbindungen in die umliegenden Dörfer und ins benachbarte Ausland. Der Busbetrieb – Autobus und Trolleybus – wurde 1930 mit der Linie von Kleinhüningen zum damals fast vollendeten Friedhof am Hörnli eingeführt und ebenfalls stetig erweitert.

Mit dem Ausbau des Tram- und Busnetzes ging auch die Errichtung von Infrastrukturbauten wie Tramdepots und Werkstätten einher – und natürlich auch von zahlreichen Wartehäuschen, wobei die Bandbreite von einfachen Unterständen bis zu repräsentativen Tramstationen reicht.

Aufgrund verschiedener Umstände – geänderte Linienführungen, wachsende Passagierzahlen, sich wandelnde Nutzungsanforderungen – waren diese Kleinarchitekturen von Beginn weg häufigen Veränderungen ausgesetzt. Nötige Modernisierungen erfolgten vielfach mit wenig Sorgfalt, oft wurden in die Jahre gekommene Wartehäuschen ganz einfach abgerissen und durch Neubauten ersetzt. Es erstaunt daher nicht, dass sich der heutige Bestand an Tram- und Buswartehäuschen grundsätzlich sehr heterogen präsentiert und mehrheitlich aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts stammt. Bemerkenswert ist aber die typologische und gestalterische Vielfalt der Kleinbauten. Offenbar gingen die entsprechenden Entwerfer – einige von ihnen sind namhafte Architekten und Ingenieure – auch bei solchen eher sekundären Bauaufgaben mit Einfallsreichtum und Sorgfalt vor. Die Bauten verdienen also durchaus Beachtung und Wertschätzung. Ihre Bedeutung kann nicht nur eine baukünstlerische sein, sondern sie sind auch im verkehrshistorischen Kontext der Entwicklung des Tram- und Busnetzes zu sehen. Darüber hinaus sind sie oft orts- und stadtbildprägend, verleihen dem jeweiligen Platz oder einer bestimmten Strasse ihren unverwechselbaren Charakter. Auch der bewusste, vom Selbstverständnis der Verkehrsbetriebe zeugende Einsatz des charakteristischen BVB-Grüns spielt dabei keine unwesentliche Rolle. Nichtsdestotrotz wird die identitätsstiftende Funktion solcher Kleinbauten oftmals erst dann bemerkt, wenn sie – nicht immer zu ihrem Vorteil – verändert oder durch Neubauten ersetzt werden.

Erstes Stationsgebäude auf dem Barfüsserplatz, 1900 von Emil Faesch und Friedrich Werz errichtet und nach dem Kantonsbaumeister Heinrich Reese «Reeseanum» benannt. Das schmucke Gebäude wurde 1946 abgerissen und durch einen Neubau ersetzt, der wiederum 1993 einer modernen Anlage weichen musste.
© Sammlung Dominik Madörin, CH-Ettingen

Vom einfachen Unterstand zur repräsentativen Tramstation

Die typologische Bandbreite der Wartehäuschen beginnt bei simplen Lösungen in Form eines einfachen Unterstands mit Flach- oder Pultdach, der knapp vor Wind und Wetter schützt (Markthalle).

Haltestelle Markthalle (Viaduktstrasse, vor der Markthalle): Filigraner
Unterstand mit Dach, jedoch ohne Seitenwände, Baujahr 1999. Serienbau der Neunzigerjhare basierend auf Entwürfen der Architekten Rolf Furrer / François Fasnacht.
© Dominik Madörin, CH-Ettingen (Bild-Nr. D8C_1306)

Etwas mehr Schutz bieten tiefere Unterstände, meist mit Sitzbank, in die man sich zurückziehen kann (Eglisee).

Haltestelle Eglisee (Riehenstrasse 321): Holzkonstruktion mit ziegelgedecktem Pyramidendach, 1908 an der Tramlinie nach Riehen errichtet. 1931 bei der Erweiterung des Freibads Eglisee um 200 m in Richtung Stadt versetzt. Architekt: Theodor Hünerwadel, Kantonsbaumeister.
© Dominik Madörin, CH-Ettingen (Bild-Nr. DFE_4414)

Umfangreicher in der Grösse und anspruchsvoller in der Gestaltung sind diejenigen Bauten, die über weitere Funktionen und Infrastrukturen verfügen: Kiosk, Toiletten, Telefonkabine, Fahrkartenschalter, Personalräume. Sie befinden sich häufig an Endhaltestellen oder wichtigen Tramknotenpunkten (Aeschenplatz; ehem. Burgfelden Grenze). Zudem luden einige Wartehäuschen ursprünglich durch eine «Trinkstube» zu längerem Verweilen ein (Schützenhaus).

Elegante Konstruktion aus zeittypischen Materialien Beton und Backstein mit deutlich vorkragendem Flachdach, ortsprägend für den Knotenpunkt Schützenhaus.
© Dominik Madörin, CH-Ettingen (Bild-Nr. D8C_5356)

Durch den technischen und gesellschaftlichen Wandel – Schliessung der Telefonkabinen oder der Kioske – verlieren diese Wartehäuschen jedoch heute zunehmend an Bedeutung. Hingewiesen sei auch auf Gebäude, die den Charakter einer blossen Kleinarchitektur klar übersteigen – etwa das nach wie vor bestehende Stationsgebäude der Haltestelle Kannenfeldplatz von 1925. Seine beachtliche Grösse erklärt sich dadurch, dass es mit der zusätzlichen Funktion als Regler- und Transformatorenstation errichtet wurde.

Stationsgebäude/Regler- und Transformatorenstation mit Kiosk, Toiletten und Brunnen von 1925. Das multifunktionale Gebäude mit kraftvoller Architektur im späten Heimatstil wurde von Hermann Neukomm entworfen.
© Dominik Madörin, CH-Ettingen (Bild-Nr. D8C_5458)

Längst verschwunden ist demgegenüber das schmucke, in historistischer Formenvielfalt gestaltete Stationsgebäude auf dem Barfüsserplatz aus der Frühzeit des Basler Trambetriebs [«Reeseanum»]. Es wurde 1946 abgerissen und durch einen Neubau ersetzt, der wiederum 1993 einer modernen Anlage weichen musste.

Gestalterische Vielfalt

Überblickt man den heutigen Bestand an Wartehäuschen und Stationsgebäuden, ergibt sich nicht nur typologisch, sondern auch gestalterisch ein vielfältiges Bild.  Dies erstaunt nicht, zeichneten doch zahlreiche Architekten in unterschiedlichen Zeitphasen für den Entwurf solcher Bauten verantwortlich.

Viele einfache Unterstände und Wartehäuschen entstanden quasi in Eigenregie durch betriebsinterne Fachleute der Basler Strassenbahnen bzw. ab 1947 der Basler Verkehrs-Betriebe (BVB). Dokumentiert ist bspw. die Tätigkeit des Bahningenieurs Gottlieb Graber. Er entwarf 1927 ein architektonisch durchaus originelles Tramwartehäuschen mit Walmdach und freistehenden Pfeilern, das etwa an den Endhaltestellen Neuweilerstrasse und Birsfelden Hard errichtet wurde.

Von Bahningenieur Gottlieb Graber entworfenes Tramwartehäuschen mit Walmdach und freistehenden Pfeilern in Birsfelden Hard.
© Dominik Madörin, CH-Ettingen (Bild-Nr. D8C_4282)

In den Dreissigerjahren entstand ein weiteres Modell nach Plänen Grabers, ein einfaches Holzhäuschen mit Pultdach. Der Entwurf, der von den Bemühungen um eine moderne Gestaltung zeugt, wurde in mehreren, teilweise heute noch bestehenden Exemplaren umgesetzt (z. B. Haltestelle Münchensteinerstrasse).

Einfaches Holzhäuschen mit Pultdach bei der Haltestelle Münchensteinerstrasse, ebenfalls ein Entwurf Gottlieb Grabers.
© Dominik Madörin, CH-Ettingen (Bild-Nr. D8B_5218)

Auch Kantonsbaumeister Julius Maurizio engagierte sich beim Bau von Tramwartehäuschen – der Basler Trambetrieb war von Beginn weg eine öffentliche Aufgabe und für den Bau des Verkehrsnetzes und der dazugehörigen Bauten war der Kanton verantwortlich. Sein erstes Objekt realisierte er 1937 mit der Endhaltestelle Bruderholz, einer einfachen, von einem Pultdach eingedeckten und durchaus als modern zu bezeichnenden Holzkonstruktion. Überzeugend sind dann vor allem aber die nach dem Krieg entstandenen Wartehäuschen und Tramstationen von Maurizio (Schützenhaus, Käferholzstrasse,  ehem. Burgfelden Grenze ).

Gerade für anspruchsvollere Gebäude auf wichtigen Plätzen, an Knotenpunkten des Liniennetzes oder an den Endhaltestellen wurden seit Beginn des Trambetriebs namhafte Architekten ihrer Zeit engagiert: Gustav und Julius Kelterborn, Hermann Neukomm, das Büro Bräuning, Leu, Dürig, Fritz Rickenbacher und Walter Baumann, Hans Beck und Heinrich Baur oder Heinz Hossdorf, der mit dem charakteristischen Flugdach der Haltestelle Neubad ein unverkennbares Zeichen hinterlassen hat. Die von diesen Architekten umgesetzten Gebäude widerspiegeln den Stil der jeweiligen Zeit denn auch besonders gut: So war das erste Stationsgebäudes auf dem Barfüsserplatz von einem verspielten Historismus geprägt, während die Anlage auf dem Aeschenplatz in ihrer Gestaltung dem Jugendstil verpflichtet ist und das Stationsgebäude auf dem Kannenfeldplatz als schöner Vertreter der Reformarchitektur gelten darf.

Überzeugende Architektur Kantonsbaumeisters Julius Maurizio bei der Haltestelle Käferholzstrasse.
© Dominik Madörin, CH-Ettingen (Bild-Nr. D8C_3915)

Bemerkenswerte Beispiele aus der Nachkriegszeit sind etwa die Haltestellen Claraplatz, St. Johanns-Tor, Neubad oder ehem. Burgfelden Grenze in ihrer konsequent modernen Gestaltung. Mitunter waren die Gebäude auch Teil einer grösseren städtebaulichen Planung wie bspw. am Claraplatz, wo der Tramunterstand mit polygonalem Flachdach 1954 zusammen mit den Wohn- und Geschäftshäusern Claraplatz 1–3 nach einem Entwurf von Fritz Rickenbacher und Walter Baumann errichtet wurde. Trotz Umbau des Wartehäuschens prägt das Ensemble aus den Fünfzigerjahren bis heute den Claraplatz.

Wartehalle auf dem Wettsteinplatz mit kreisrundem Dach einzigartig für Basel, platzprägend in BVB-Grün; weitgehend original erhalten.
© Dominik Madörin, CH-Ettingen (Bild-Nr. D8C_5136)

Die Phase individuell und anspruchsvoll gestalteter Gebäude reicht bis Ende der Fünfzigerjahre. Alle wichtigen Tramhaltestellen waren dann mit adäquaten Wartegebäuden bestückt – historisch wertvollen, funktional einfachen oder zeitgemäss modernen Bauten. In der Folge wurden in erster Linie die einfachen, meist noch aus der Vorkriegszeit stammenden Unterstände und Wartehäuschen durch moderne Konstruktionen ersetzt. Ab den Achtzigerjahren errichtete man an zahlreichen Tram- und Bushaltestellen die von Rolf Furrer und François Fasnacht entworfenen Unterstände, wobei die elegante, individuell konzipierte Konstruktion der Haltestelle Riehen Dorf und der mittlerweile wieder verschwundene Prototyp einer runden Stand- und Sitzstelle (Haltestelle Lachenweg, Riehen) besondere Erwähnung verdienen.

Neue Akzente setzen in jüngster Vergangenheit die von Stauffenegger + Stutz in Zusammenarbeit mit Rüdisühli Ibach Architekten entwickelten Tram- und Busunterstände, die den sprechenden Namen «Parapluie» tragen.

Zuletzt aktualisiert am 13. November 2021 von Dominik Madörin