Der Ce 2/2 201 ist gerade von den Basler Strassenbahnen übernommen worden und steht im Hof der Werkstätte Klybeck. Gut erkennbar ist das zweiachsige Untergestellt mit dem riesigen Radsatzabstand.
© B.St.B./BVB (Sammlung Dominik Madörin, CH-Ettingen)
 

Im Rahmen von Rollmaterialbeschaffungen in den Zwanziger- und Dreissigerjahren wurden den damaligen Basler Strassenbahnen (B.St.B.) wiederholt grössere, vierachsige Fahrzeuge empfohlen. Die Strassenbahnverwaltung hielt jedoch wenig von den schweren Drehgestellwagen jener Zeit und forcierte die Entwicklung von längeren, zweiachsigen Fahrzeugen mit erhöhtem Fassungsvermögen. Anfangs der Dreissigerjahre gaben die B.St.B. zwei entsprechende Mustertramzüge in Auftrag.

Eine dieser beiden Kompositionen bestand aus dem Motorwagen Nr. 201 und dem Anhänger Nr. 423. Sowohl Motor- als auch Anhängewagen wurden von der Schweizerischen Industrie-Gesellschaft (SIG) erbaut. Die Ingenieure aus Neuhausen übernahmen dabei die charakteristische Form mit den schmalen, einteiligen Seitenfenstern und dem breiten Obergurt von den in den Jahren zuvor gelieferten Ce 2/2 173–200. Der Wagenkasten wurde jedoch um rund eineinhalb Meter verlängert und verfügte über acht statt sechs herablassbare Seitenfenster. Unter Beibehaltung der bisher üblichen Endplattformen liessen sich so 22 statt 16 Sitzplätze unterbringen. Auch die Anzahl Stehplätze konnte von 16 auf 20 leicht erhöht werden.

Technische Daten bei Inbetriebsetzung:

Typenbezeichnung: Ce 2/2
Anzahl Wagen: 1
Wagennummern: 201 (ab 1931 Nr. 71, ab 1948 Nr. 301)
Im Linienbetrieb: 1930 bis 1972

Mechanischer Teil: SIG
Elektrische Ausrüstung: BBC
Anschaffungskosten/Wg.: CHF 75’380.–

Länge über alles: 10’970 mm
Grösste feste Breite: 2’200 mm
Grösste feste Höhe: 3’890 mm
Radsatzabstand: 3’200 mm
Radsatzfolge: Bo
Dienstgewicht: 16’600 kg
Sitz-/Stehplätze: 22/20
Höchstgeschwindigkeit: 30 km/h

Anzahl Fahrmotoren: 2
Hersteller/Typ: BBC GTM 3i
Stundenleistung: 2 x 66 PS bzw. 2 x 49 kW
Übersetzungsverhältnis: 1:5,71

Bremsen: elektrische Widerstandsbremse, Zweikammer-Druckluftbremse, Magnetschienenbremse, Handbremse, Einrichtungen für Anhängewagen-Solenoidbremse

Mit einer Länge über Stossbalken von 10’360 mm handelte es sich beim Ce 2/2 201 um den längsten zweiachsigen Strassenbahnmotorwagen der Schweiz 1)! Der Achsabstand betrug auf 3’200 mm. Die Federung bestand aus Blattfederpaketen mit Gummielementen zur Dämpfung.

Das Dach war als einfaches Tonnendach ausgeführt. Der Dachkante entlang führten Laufstege. Die Druckluftbehälter fanden im Untergestell Platz und waren quer zwischen Fender und Achsen angeordnet. Die Gestaltung des Innenraums wies keine Besonderheiten auf. Alle ungepolsterten Holzsitze waren quer angeordnet und verfügten über umlegbare Rückenlehnen.

1931 erfolgte die Umnumerierung in Ce 2/2 71. Damit konnte einerseits der Musterwagen eindeutig als solcher gekennzeichnet und andererseits mit der Nummerierung der sechs neu zur Ablieferung kommenden Motorwagen herkömmlicher Bauart an die Ce 2/2 193–200 angeschlossen werden. Entsprechend einem neu eingeführten Nummerierungsplan erhielt der Wagen 1948 die Nummer 301.

Im März 1932 wichen die ursprünglichen GTM 3i-Motoren solchen des Typs GTM 132. Deren höhere Leistung von je 75 PS/54 kW halfen dem schweren Motorwagen etwas auf die Sprünge.

Dieses Bild des noch nicht zum Dreiachser umgebauten Ce 2/2 301 auf dem Aeschenplatz muss 1948 entstanden sein. Der gefällige Motorwagen mit dem C3 719 im Schlepp wird sich bald zu einer Fahrt nach Aesch in Bewegung setzen.
© Sammlung Dominik Madörin, CH-Ettingen (Bild-Nr. -)

Spätere Änderungen (Auswahl):

  • 1935: Ersatz des Lyrabügels durch einen Pantographen
  • 1950: Aufbau von Brosebandkästen
  • 1951: halbautomatische +GF+-Kupplungen (Länge über alles neu 10’940 mm)
  • 1953–54: Richtungsblinker

Die Laufeigenschaften des Prototyps entsprachen von Anfang an nicht den Erwartungen. Auffällig waren zudem die Pfeifgeräusche der Gummifederung, welche dem Fahrzeug beim Personal rasch den Übernamen «Kanarienvögeliwagen» eintrugen. Anlässlich einer Hauptrevision vom 3. August 1953 bis zum 27. September 1954 erfolgte durch Untersetzung eines dreiachsigen SLM-Lenkuntergestells mit aussengelagerten Endachsen ein Umbau zum Dreiachser. Ein baugleiches Untergestell bewährte sich bereits seit knapp zwanzig Jahren beim Ce 2/3 73 bzw. 303. Der Gesamtachsabstand betrug nun 4’800 mm und das Dienstgewicht stieg auf 17’800 kg. Die GTM 132-Motoren blieben erhalten, jedoch fanden die Druckluftbehälter im Untergestell keinen Platz mehr und mussten auf das Dach verlegt werden. Eine weitergehende Modernisierung und insbesondere der Umbau zum Einrichtungswagen, wie es beim zugehörigen Anhängewagen geschehen war, unterblieb.

Unmittelbar nach dem Einbau des Lenkuntergestells entstand diese Aufnahme des Ce 2/3 301. Dank dem weit unten liegenden Kastenlängsträger wirkt der stattliche Wagen weniger hochbeinig als der vergleichbare Ce 2/3 303.
© B.St.B./BVB (Sammlung Dominik Madörin, CH-Ettingen)

Unmittelbar nach seiner Ablieferung wurde der Mustermotorwagen zusammen mit «seinem» Anhänger C 423 auf der Linie 6 erprobt. Schon bald erfolgte jedoch die Versetzung auf die Flachlandlinie 11, die sich aufgrund der langen kurvenlosen Streckenabschnitte für den Ce 2/2 71 mit seinem riesigen Achsabstand und schwachen Motorisierung besser eignete.

Der Linie 11 und dem Depot Dreispitz blieb der Mustermotorwagen sein ganzes Leben lang treu. Nur ausnahmsweise kam es zu Einsätzen auf den Bruderholzlinien oder auf Verstärkungskursen.

Im Einsatz auf der Stammlinie 11: Am einem verregneten Julitag im Jahre 1964 ist der Be 2/3 301 mit dem B3 1341 in der St. Jakobs-Strasse in Richtung Denkmal unterwegs.
© Sammlung Dominik Madörin, CH-Ettingen (Bild-Nr. 77.1)

Am 15. Oktober 1933 ereignete sich beim Heiligholz eine Frontalkollision mit dem Ce 4/4 450 «Dante Schuggi». Die Reparatur der vollkommen zerstörten Plattform und der Führerstandsapparaturen des Wagens 71 dauerte bis am 2. März 1934.

Am Freitag, dem 16. Juli 1943, war der Ce 2/2 71 mit relativ geringer Geschwindigkeit in Reinach unterwegs, als er in der langgezogenen Kurve in der Nähe der Haltestelle Landhof plötzlich entgleiste, umstürzte und quer zum Gleis auf der Seite liegen blieb. An jener Stelle befand sich eine Aufschüttung im offenen Gleiskörper, die den Landanstössern als Überweg diente. Da zuvor zahlreiche andere Tramkurse anstandslos passiert waren, vermutete man, dass sich ein Stein verklemmt hatte. Von den fünfzehn Fahrgästen wurden einige verletzt. Die Reparatur des Motorwagens dauerte bis am 6. April 1944.

Ein Ankerschluss im Fahrmotor II besiegelte das Schicksal des Prototypen. Die Reparatur wurde nicht mehr ausgeführt und der beim Personal aufgrund der zu schwachen Motorisierung und den undichten Stirnwandtüren nicht gerade beliebte Wagen im Oktober 1972 verschrottet.


1) Berechnungen der B.St.B. ergaben, dass der Wagenkasten maximal 10’470 mm lang werden durfte, wobei die Stirnwandbreite bei einer Wagenkastenbreite von 2’200 mm auf wenigstens 1’660 mm reduziert werden musste, um in den Kurven das Lichtraumprofil nicht zu verletzen. Ein längerer Kasten hätte eine weitere Verjüngung an den Wagenenden erfordert, was allerdings den Einbau von Durchgangstüren verunmöglicht hätte.

Namen anlässlich des Jubiläums «60 Jahre BVB» (1955)

  • Ce 2/3 301: Bebbi

Fahrzeugporträt

Ce 2/2 201; Ce 2/3 301

→ ab 11.05.1931 Ce 2/2 71, ab 10.02.1948 Ce 2/2 301, ab 1954 Ce 2/3 301, ab 1956 Be 2/3 301

Inbetriebsetzung: 24.12.1930
Ausmusterung: 27.10.1972

Verbleib: Abbruch (Schlatter, Münchwilen)

Zuletzt aktualisiert am 25. November 2023 von Dominik Madörin