Von den drei Normwartehallen-Bauarten der Basler Verkehrs-Betriebe (BVB) mag die architektonische Qualität des Typs «Furrer» am meisten zu überzeugen. Dieses Modell wird leider nicht mehr neu errichtet (17. Mai 2021, Basel Margarethen; Unterstand wenige Wochen später abgebrochen).
© Dominik Madörin, CH-Ettingen (Bild-Nr. D8C_5207)

In den frühen Sechzigerjahren setzten bei den Basler Verkehrs-Betrieben (BVB) Bestrebungen ein, Haltestellenausstattung und Wartehallen zu vereinheitlichen. An einigen wenigen Haltestellen stellten die BVB vorfabrizierte Betonunterstände auf. Ab 1967 verbreiteten sich sogenannte Normwartehallen (NWH), ausgeführt als verglaste Stahlkonstruktionen.

Heute existieren auf dem Netz der BVB neben verschiedenen Sonderbauarten drei Grundtypen standardisierter Wartehallen. Neu errichtet werden nur noch Normwartehallen des Typs «Parapluie». Neben einer Wartehalle weisen sämtliche Haltestellen zusätzlich weitere Ausrüstungsbestandteile (z.B. Billettautomat, Stelen, DFI, etc.) auf. Die generelle Ausstattung ist nach aktuellem Bestand sehr unterschiedlich.

Typ «Schuhschachtel»

Das erste Exemplar eines Normwartehallentyps errichteten die BVB Ende 1967 beim Friedhof am Hörnli. Das Gebäude mit Flachdach bestand aus einer verschweissten, dunkelgrün lackierten Tragkonstruktion aus Stahlrohren und vorfabrizierter Betonbrüstung. Das Dach war mit Aluman eingedeckt. Die Untersichtschalung war mit Holz der Douglastanne ausgeführt, während für Sitzbank und Rückenlehne Eichenholz Verwendung fand. Securit-Scheiben bildeten die Wände.

Das erste Exemplar einer Wartehalle des Typs «Schuhschachtel» steht beim Friedhof am Hörnli. Bei einer Renovation wurde die Untersichtschalung aus Holz durch graue Kunststoff-Platten ersetzt.
© Dominik Madörin, CH-Ettingen (Bild-Nr. D8C_5284)

Dieser Wartehallentyp dürfte auf einen Entwurf des Basler Kantonsbaumeisters Hans Luder  (* 9. März 1913, † 1. Mai 1997) zurückgehen und wurde bis 2004 in grosser Zahl aufgestellt, je nach Erfordernissen und Platzverhältnissen in verschiedenen Grössen und mit unterschiedlichen Grundrissen. Im Laufe der Jahre erfolgten kleinere Verbesserungen und Optimierungen an der BVB-intern «Schuhschachtel» genannten Konstruktion. Anlässlich von Renovationen entfiel die Untersichtschalung aus Holz zugunsten hellgrauer Kunststoff-Platten. Das Stahlskelett wurde eine Zeitlang hellgrün, später anthrazitfarben lackiert.

Beim Otto Wenk-Platz, nur wenige hundert Meter von der Haltestelle Friedhof am Hörnli entfernt, wurde 2004 die letzte Normwartehalle des Typs «Schuhschachtel» errichtet. Vereinfachungen sind etwa bei der Brüstung auszumachen.
© Dominik Madörin, CH-Ettingen (Bild-Nr. D8C_5300)

2019 existierten noch 57 Wartehallen dieses Typs mit einem durchschnittlichen Alter von 39 Jahren. Sie sollen durch das Modell «Parapluie» ersetzt werden und so mittelfristig aus dem Stadtbild verschwinden. Die Unterstände waren ursprünglich für eine mittlere Nutzungsdauer von 25 Jahren konzipiert.

Typ «Furrer»

Mehrfach konnten die Normwartehallen des Typs «Schuhschachtel» von eher geringer architektonischer Qualität nicht aufgestellt werden, weil sie nach Ansicht der Stadtbildkommission nicht in die betreffende Umgebung passten. 1985 wurde daher im Rahmen eines Wettbewerbs, den die Basler Verkehrs-Betriebe zusammen mit der Allgemeinen Plakatgesellschaft AG (APG) durchführten, die Gestaltung eines neuen Wartehallentyps ausgeschrieben. Der erste Preis erhielt ein Entwurf der Architekten Rolf Furrer  (* 1955) und Peter Stiner  (* 1955, † 2019).

Die Architektursprache von Furrer und Stiner setzt sich konsequent bis ins Detail fort: Abschluss des Torsionsrohrs mit Baselstab.
© Dominik Madörin, CH-Ettingen (Bild-Nr. D8C_5082)

Beim Normaltyp des Entwurfs von Furrer und Stiner leiteten Kragarme die Dachlasten in ein Torsionsrohr, dem Gelenk zwischen Dach und Stütze. Die in Druck- und Zugteile aufgelösten Stützen bündelten die Kräfte zum Boden. Besonders leicht differenzierbar waren die aus Glas oder Blech ausgefachten Rücken- und Seitenwände, da sie vom statischen System der Stützen und vom Dach unabhängig waren. Die schmale, hohe Teilung der Wände ermöglichte das Einfügen der gängigen Plakatformate. Eine bequeme Sitzbank mit Rückenlehne sowie Stehhilfen zum Anlehnen, beides aus Holz, ergänzten die Ausstattung. Bei den meisten Wartehallen waren Säulen, Torsionsrohr und Dach ursprünglich hellgrün lackiert und die übrigen Stahlteile verzinkt.

Zwischen 1986 und 2000 liessen die BVB an zahlreichen Tram- und Bushaltestellen solche BVB-intern «Typ ‹Furrer›» genannte Unterstände errichten. Je nach städtebaulichen oder verkehrstechnischen Kriterien konnten grössere und kleinere Tramwartehallen aus standardisierten Elementen zusammengebaut werden. Im Rahmen von Renovationen wurden die ursprünglich hellgrünen Elemente anthrazitfarben lackiert und die geschickt verborgene Leuchtstoffröhren-Beleuchtung durch eine LED-Beleuchtung ersetzt.

Die anthrazitfarbene Lackierung ursprünglich hellgrüner Elemente nimmt der Wartehalle einen Grossteil ihrer Leichtigkeit (20. Mai 2021, Basel Kannenfeldplatz).
© Dominik Madörin, CH-Ettingen (Bild-Nr. D8C_5466)

Ebenfalls zum Typ «Furrer» zählten verschiedene Spezialausführungen wie der mittlerweile wieder verschwundene Prototyp einer runden Stand- und Sitzstelle bei der Haltestelle Lachenweg in Riehen. An mehreren Haltestellen mit schmalen Trottoirs wurden vereinfachte, schmale Ausführungen aufgestellt. 2019 existierten noch 71 Wartehallen des Typs «Furrer».

Ebenfalls zum Typ «Furrer» zählt dieser reine Unterstand ohne Rücken- und Seitenwände sowie ohne Beleuchtung. Die Sitzbank ist nicht original (19. Mai 2021, Basel Bethesdaspital).
© Dominik Madörin, CH-Ettingen (Bild-Nr. D8C_5378)

Typ «Parapluie»

Neue Akzente setzten ab 2008 die vom Designbüro Stauffenegger + Stutz in Zusammenarbeit mit Rüdisühli Ibach Architekten entwickelten Tram- und Busunterstände, die den sprechenden Namen «Parapluie» trugen. Die modernen Normwartehallen existierten in drei verschiedenen Varianten: mono, duplex und combi. Sie waren standardmässig mit LED-Beleuchtung ausgestattet und verfügten über mindestens einen sogenannten Burri-Kasten. Diese beleuchtete Vitrine bot Platz für verschiedenste Fahrgast-Informationen. Ab 2017 wurden die Wartehallen auch mit digitalen Werbeflächen bestückt. Eine konstruktive Herausforderung bildete die Entwicklung der frei auskragenden Überkopfverglasung, bestehend aus einem 24 mm starken Verbundsicherheitsglas. Durch die vielfältigen Kombinationsmöglichkeiten der Wartehalle entstand ein flexibles System mit einheitlicher Erscheinung. 2019 standen bereits über 100 Wartehallen dieses Typs auf dem Stadtnetz der BVB und von anderen Verkehrsbetrieben.

Unauffällige, geradlinige Formensprache: Die Wartehalle des Typs «Parapluie». Im Hintergrund ein altes, zum Velounterstand degradiertes Tramhäuschen (3. Mai 2021, Riehen Bettingerstrasse).
© Dominik Madörin, CH-Ettingen (Bild-Nr. DFF_1391)

Zuletzt aktualisiert am 13. September 2022 von Dominik Madörin