Wenige Wochen zuvor abgelieferter Be 4/6 107 in der im Hinblick auf den Einsatz dieser Gelenkwagen neu angelegten Wendeschlaufe beim Bahnhof Dornach-Arlesheim. Diese lag genaugenommen noch auf Gemeindegebiet Arlesheims.
© Sammlung Dominik Madörin, CH-Ettingen (Bild-Nr. 88.6)

Dem Bau neuer Gelenk-Motorwagen für die Birseckbahn AG (BEB) ging eine jahrelange Diskussion um die Sanierung dieser Basler Vorortsbahn voraus. Dabei wurde auch in Erwägung gezogen, den Trambetrieb stillzulegen. Vom 27. bis 29. April 1959 befuhr die Komposition Be 4/4 456 mit B3 1336 der Basler Verkehrs-Betriebe (BVB) in fahrplanmässigem Einsatz die Strecke zwischen Aeschenplatz und Dornach. Der Einsatz erfolgte parallel mit der Erprobung eines modernen Autobusses und diente zur Klärung, ob die alte BEB auf modernen Trambetrieb oder auf Busbetrieb umgestellt werden soll.

Im Juli und August 1964 konnte die Birseckbahn einen fabrikneuen, für den Strassenbahnbetrieb der deutschen Städte Mannheim und Ludwigshafen bestimmten DÜWAG-Gelenkwagen 1) ausführlich im Fahrplanbetrieb erproben. Da die Wendeschlaufe in Dornachbrugg einen zu engen Radius aufwies, erforderte dieser Versuchsbetrieb die Errichtung einer provisorischen Wendeschlaufe unmittelbar nach der Bahnüberführung Birseckstrasse. Die Endhaltestelle erreichte der Sechsachser aus deutscher Produktion nach dem Wenden in Rückwärtsfahrt trotzdem. In dieser Zeit kam es auch zu einer Probefahrt mit dem Be 4/6 601 und B 1433 der BVB. Diese endete mit einer Entgleisung in der provisorischen Schlaufe…

Die mit dem Mannheimer DÜWAG gewonnenen Erfahrungen führten zum Entschluss, im Falle einer Beibehaltung des Trambetriebs acht Motorwagen solcher Bauart zu bestellen. Der Beschluss, das Tram beizubehalten und den Betrieb zu sanieren, fiel schliesslich im Jahre 1970. Aus politischen Gründen ging der Auftrag für acht neue Gelenkwagen Be 4/6 101–108  dann aber an die heimische Schindler Waggon AG (SWP) in Pratteln.

Der von SWP konstruierte Gelenkwagen lehnte sich in vielen Teilen an den DÜWAG an. Der zweiteilige Wagenkasten war als selbsttragende Konstruktion ausgeführt und über ein Gelenk mit Hohlkammergummitüchern verbunden. Als Aussenfarbe wurde ein Gelb nach dem Vorbild Schaffhauser Busse gewählt. Keinesfalls handelte es sich um einen Elfenbeinton, wie oftmals behauptet (lediglich ein etwa im Massstab 1:20 gehaltenes Holzmodell der SWP präsentierte sich in hellem Beige). Aufschriften und Zierlinien kamen in Blau daher.

Im Gegensatz zum DÜWAG kamen luftgefederte Drehgestelle zum Einbau. Die Fahr-/Bremssteuerung Simatic von Siemens entlastete den Fahrer und ermöglichte den späteren Doppeltraktionsbetrieb der ursprünglich als Alleinfahrer ohne elektrische und mechanische Kupplungen ausgeführten Wagen. Zur Stromabnahme diente ein Einholmstromabnehmer Bauart Siemens. Die Druckluft lieferte ein zweistufiger Lamellenkompressor von SLM mit typischer Geräuschentwicklung.

Technische Daten bei Inbetriebsetzung:

Typenbezeichnung: Be 4/6
Anzahl Wagen: 8
Wagennummern: 101–108
Im Linienbetrieb: 1971 bis 2016

Mechanischer Teil: SWP
Elektrische Ausrüstung: BBC, S-E
Anschaffungskosten/Wg.: CHF 592’554.40

Länge über alles: 19’400 mm
Grösste feste Breite: 2’200 mm
Grösste feste Höhe: 3’660 mm
Radsatzabstand im Triebdrehgestell: 1’830 mm
Radsatzabstand im Laufdrehgestell: 1’700 mm
Drehgestellmittenabstand: 2 x 6’200 mm
Radsatzfolge: B'(2)B‘
Dienstgewicht: 22’400 kg
Sitz-/Stehplätze: 46+1/104
Höchstgeschwindigkeit: 60 km/h

Anzahl Fahrmotoren: 2
Hersteller/Typ: BBC 4ELG 2057
Stundenleistung: 2 x 204 PS bzw. 2 x 150 kW
Übersetzungsverhältnis: 1:5,625

Bremsenelektrische Widerstandsbremse, indirekt wirkende Druckluftbremse, Magnetschienenbremse, hydromechanische Feststellbremse

Bei den zwischen November 1971 und April 1972 in Betrieb gesetzten Be 4/6 101–108 handelte es sich um die ersten Einrichtungswagen der Birseckbahn. Da beim Depot Arlesheim keine Wendeschlaufe vorhanden war und der Bau einer solchen aus Platzgründen sowie wegen der beabsichtigten Verlegung der Anlage aus dem Dorfzentrum nicht in Betracht kam, verfügten die Gelenk-Motorwagen über einen Hilfsfahrschalter im Heck. Dieser war so ausgelegt, dass Rückwärtsfahrten von der Schlaufe Dornach ins Depot oder Rückwärts-Abdrehfahrten Arlesheim–Dornach–Arlesheim möglich waren. Die Ausführung der Aussenbeleuchtungsanlage entsprach ebenfalls diesen Anforderungen.

Das neue, bequeme Rollmaterial führte zu markanten Frequenzzunahmen auf der Birseckbahn, so dass die Wagen 106 bis 108 (1975 auch die Be 4/6 104 und 105) mit den Einrichtungen für den Anhängerbetrieb nachgerüstet wurden. Zwei entsprechend angepasste BEB-Dreiachsanhänger (B3 25 und 27) mussten für den Verkehr mit den modernen Zugfahrzeugen herhalten. Zusätzliche Anhänger konnte sich die BEB vorübergehend von den Basler Verkehrs-Betrieben ausleihen.

Für eine weitere Verbesserung des Platzangebots bestellte die BEB eine zweite Serie von sieben Gelenkwagen gleicher Bauart. Diese trafen 1975–76 ein und waren bereits in den Farben der Baselland Transport AG (BLT) gehalten.

Mit der Übernahme der Birseckbahn durch die BLT gingen die acht Gelenkwagen als Be 4/6 101–108 an die neue Gesellschaft über und wurden 1975–76 farblich angepasst (siehe Be 4/6 101–108, 109–115).

Nacktes Heck: Bis auf eine Steckbolzen-Hilfskupplung unter dem Stossbalken sind keine weiteren mechanischen, pneumatischen oder elektrischen Kupplungseinrichtungen vorhanden!
© Claude Jeanmaire (Sammlung Tramclub Basel)

1) DÜWAG = Düsseldorfer Waggonfabrik AG, ab 1959 Kurzbezeichnung des Werks Düsseldorf der Waggonfabrik Uerdingen AG

Fahrzeugporträts

Be 4/6 101

Inbetriebsetzung: 09.11.1971
Ausmusterung: 2015

Verbleib: 1974 an BLT (Be 4/6 101) → 2015 an GSP, RS-Beograd (Tw 701, ab 2016 Tw 2701)

Be 4/6 102

Inbetriebsetzung: 21.12.1971
Ausmusterung: 2015

Verbleib: 1974 an BLT (Be 4/6 102) → 2015 an GSP, RS-Beograd (Tw 702, ab 2016 Tw 2702)

Sommer 1974: Versuchssignet am A-Wagen

Be 4/6 103

Inbetriebsetzung: 31.12.1971
Ausmusterung: 2015

Verbleib: 1974 an BLT (Be 4/6 103) → 2015 an GSP, RS-Beograd (Tw 2703, vorerst keine Inbetriebn.)

1974–75: Versuchs-Signet in Blau am A-Wagen

Be 4/6 104

Inbetriebsetzung: 31.12.1971
Ausmusterung: 2015

Verbleib: 1974 an BLT (Be 4/6 104) → 2015 an GSP, RS-Beograd (Tw 2704, vorerst keine Inbetriebn.)

Be 4/6 105

Inbetriebsetzung: 01.02.1972
Ausmusterung: 2016

Verbleib: 1974 an BLT (Be 4/6 105) → 2015 an GSP, RS-Beograd (Tw 705, ab 2016 Tw 2705)

Be 4/6 106

Inbetriebsetzung: 24.02.1972
Ausmusterung: 2015

Verbleib: 1974 an BLT (Be 4/6 106) → 2015 an GSP, RS-Beograd (Tw 2706, vorerst keine Inbetriebn.)

06.1974: Versuchseinsatz in Zürich (Lärmmessfahrten)

Be 4/6 107

Inbetriebsetzung: 15.03.1972
Ausmusterung: 2015

Verbleib: 1974 an BLT (Be 4/6 107) → 2015 an GSP, RS-Beograd (Tw 707, ab 2016 Tw 2707)

Be 4/6 108

Inbetriebsetzung: 13.04.1972
Ausmusterung: 2015

Verbleib: 1974 an BLT (Be 4/6 108) → 2015 an GSP, RS-Beograd (Tw 2708, vorerst keine Inbetriebn.)

07.1972: Versuchseinsatz in Genf (Linie 12)

Die neuen Gelenkwagen der Birseckbahn im Regelbetrieb, aufgenommen am 25. März 1973 im Bereich Hirsland und Arlesheim Dorf–Im Lee. Besonders interessant: Rückkehr eines Be 4/6 von einer in Rückwärtsfahrt durchgeführten Abdrehfahrt vom Depot Arlesheim nach Dornach und zurück (00:16 bis 00:29). Bei der am Ende des Films gezeigten Komposition mit grünem BVB-Anhänger handelte es sich um den Be 4/6 107 mit B 1459, welcher anlässlich einer Tagung des Schweizersichen Eisenbahn-Amateurs-Klubs (SEAK) im Einsatz stand.
© tram-bus-basel.ch (Super-8-Film unbekannten Urhebers)

Zuletzt aktualisiert am 20. November 2023 von Dominik Madörin