Mit den sehr schweren Trams (heute bis zu 70 Tonnen) mit oft langem Bremsweg und der Tatsache, dass Schienenfahrzeuge nicht ausweichen können, sind Kollisionen schlichtweg nicht zu verhindern. Deswegen haben schienengebundene Fahrzeuge in der Gesetzgebung auch fast überall den alleinigen Vortritt. Ist der Fahrer aber auch nur ein paar km/h schneller als erlaubt, wird das als Verstoss geahndet. Im Tram wird alles genau aufgezeichnet und bei Unfällen ausgewertet. Das ist meist von Vorteil, ausser eben man begeht einen Fehler oder ist zu schnell unterwegs. Die Gegenpartei (z. B. ein Auto) hat nichts derartiges, der Lenker kann da auch völlige Räubergeschichten erzählen und so braucht es dann den Richter als Entscheidungsinstanz.
Schlimm sind natürlich Personenunfälle mit Verletzten oder sogar Todesfolge. In meiner langen Dienstzeit habe ich da leider beides erlebt. Von ganz schlimmen Unfällen, wenn z. B. jemand schwer verletzt unter dem Tram hervorgeholt werden muss, wurde ich zum Glück verschont. Ein Unfall mit Todesfolge belastete mich nicht sehr; die Schuldfrage war klar, ich war massiv unter der vorgeschriebenen Geschwindigkeit und hatte gute Zeugen.
Die meisten Unfälle verlaufen glimpflich, sind aber trotzdem oft sehr spezifisch und bleiben in Erinnerung. Auch an Unfällen, an denen man nicht beteiligt ist, kommt man ab und an vorbei. Wie bei dem von einem Auto angefahrenen Mofafahrer, der mit offenem Oberschenkelbruch auf der Strasse lag und kreidebleich seinen herausragenden blutigen Knochen anstarrte. Ich konnte da ohne Probleme helfen. Beim Nachtessen kam dann allerdings etwas Vegetarisches auf den Tisch.
Vor der Einführung der Funkleitstelle musste der Trämler bei Kollisionen zuerst alles sichern, dann irgendeine Telefonkabine oder ein Geschäft suchen, um den Barfüsserplatz (die damalige «Leitstelle») zu informieren. Dann waren die Personalien der Involvierten aufzunehmen – wenn es Verletzte hatte, eine doch ziemlich haarsträubende Angelegenheit! Vor allem, wenn dann noch ständig einer kommt und fragt, wann es dann endlich wieder weitergeht. Heute übernimmt der Streckendienst diese administrativen Aufgaben.
Unfälle lassen sich nicht vermeiden, die meisten verlaufen aber glimpflich. Am 9. Juli 1985 erwischte der Be 4/6 625 in der Allschwilerstrasse einen elsässischen Renault R4. Mit vereinten Kräften wird das verformte Blech zurückgebogen, um den lädierten Wagen von den Schienen stossen zu können!
© Sammlung Dominik Madörin, CH-Ettingen (Bild-Nr. 5.2037)
Russischer Leichtsinn
Bei der Autobahn-Unterführung unweit des Zeughauses herrschte ein Chaos und zwei riesige Russen-LKWs mit Übermassen standen im Weg. Sie hatten die Tafel mit der Höhenbeschränkung nicht gesehen – oder eher «auf russische Art» ignoriert. Das Dach des Aufliegers berührte die Fahrleitung. Nun das Unglaubliche: Die Fahrer stiegen auf das Dach und hantierten mit Holzlatten an der Fahrleitung. Die stand aber unter Spannung, wie ich in meinem 14er unschwer erkennen konnte! In Erwartung auf einen Kurzschluss oder dass einer der Deppen mit einem Stromschlag heruntergefegt würde, forderte ich die Polizei an. Aber die hatten sowas von Schwein, vermutlich standen sie auf der Plane, die wie die Pneus isolierend wirkte. Dann kletterten sie wieder hinunter und wendeten dann sackfrech, wobei sie die Fahrleitung herunterrissen. Das interessierte sie aber überhaupt nicht, sie fuhren einfach davon. Umzingelt von Passanten, die den Irrsinn schön filmten oder fotografierten. Soviele gute Zeugen hatte die Polizei wohl selten. Vier Stunden war die Linie 14 blockiert. Ob die Polizei die Fahrer dann auch Dingfest machen konnten, weiss ich nicht.
Ein anderes Mal bei der Zeughausunterführung bemerkte ich, dass irgendwas krachte und durch die Luft flog. Es war ein Rennrollstuhlfahrer, der von einem Auto buchstäblich an die Tunnelwand geschleudert wurde. Ich hielt natürlich an (auch wir haben die Pflicht, erste Hilfe zu leisten, Fahrplan hin oder her). Ich konnte den blutenden und bewusstlosen Lenker etwas von dem Gestänge des Stuhls befreien, bis dann die Sanität und Polizei kam. Ich traf dann den Mann viel später wieder an und sprach mit ihm. Er konnte aufgrund dieses Unfalls seinen geliebten Rennsport nicht mehr ausführen. Da sinniert man schon etwas über die Gerechtigkeit des Lebens, wenn jemand derart zweimal bestraft wird!
Die Raserin
An der Merkurstrasse fuhr ich Richtung Allschwil weg. Da wurde ich von einem PW rechts (korrekt) überholt, jedoch mit bedenklich mehr als 50 km/h, das Auto überholte dann noch ein anderes Auto ziemlich riskant. Ich dachte mir noch, das Auto siehst du vielleicht wieder. Allerdings: Schon bei der Haltestelle Kirche stand es, verkeilt mit einem anderen Auto. Rundum Kühlwasserdampf und alles voller Trümmer, wenigstens keine Verletzte. Ich trat dann auch als Zeuge auf. Die Lenkerin, eine junge Frau, hatte es derart eilig, dass sie ein Auto auf der linken (verbotenen) Seite der Haltestelle zu überholen versuchte, nur: Das andere Auto bog dann nach links ab und wurde dann voll gerammt! Die Frau hatte dann wohl sehr viel Zeit um nachzudenken. Sicher war sie auch eine Weile zu Fuss unterwegs.
Die breite Baslerstrasse in Allschwil verleitete eine junge Autofahrerin zu einem waghalsigen Fahrmanöver mit anschliessendem Unfall. Im März 1988 war die Strasse für den 6er mit Be 4/4 474 an der Spitze aber frei.
© Dominik Madörin, CH-Ettingen (Bild-Nr. 4.28)
Armer DAF
An der Ampel beim Luzernerring stehend, wartete ich auf mein Signal. Die Querrichtung ging auf Rot, ich beobachtete einen DAF (ein etwas kurioses Auto mit Varioschaltung), der stark bremste. Dahinter ein Kleinlaster mit einem schweren Betonmischer auf der Ladefläche. Man sah den Fahrer, wie er mit aller Kraft in die Pedale stieg, aber auch, dass das nicht reichen würde. Er krachte in den DAF, der dann slapstickreif mit gebrochener Achse über die Kreuzung eierte, um schliesslich vom Randstein gestoppt zu werden. Darin ein älterer Herr, der völlig irritiert herumschaute, was da jetzt auch los war.
Sekundenbruchteile
Im Verkehr entscheiden oft Sekundenbruchteile über Glück oder Crash, aber auch über Leben und Tod! Am Brausebad stand ich mit dem 6er nach Allschwil. Es fuhr der 1er in seine Haltestelle und ich sah eine junge Frau im hinteren Wagenteil, die mich direkt ansah; sie wollte nach Allschwil. Da konnte ich ja nicht wegfahren. Sie rannte, immer noch mein Tram fixierend über die Kreuzung, ich sah die rote Ampel und das heranrasende Auto, das Grün hatte. Mir blieb das Herz stehen, ich glaube schon den Aufschlag zu hören und rechnete mit dem schlimmsten. Zentimeter hinter der Frau rauschte das Auto ungebremst vorbei, weder der Lenker noch die Frau ahnten, wie knapp das war. Zwar nichts passiert, aber wenn schon so was derart im Kopf hängenbleibt, wie wäre das, wenn da die nötigen Zentimeter gefehlt hätten!
An gleicher Stelle, ich bekam Grün und fuhr los. Mitten auf der Kreuzung bemerkte ich, dass da ein Auto in voller Geschwindigkeit das Rotlicht überfuhr. Notbremsung, ein Knall und der Totalschaden am PW war Tatsache. Der Lenker, ein Inder, blieb unverletzt. Da kamen die Fussgänger und waren beste Zeugen: Sie waren ja bei Grün auf dem Fussgängerstreifen, ohne mein rettendes Tram wären sie vermutlich überfahren worden! Eine bessere Wirkung der Notbremsung wäre im Endeffekt wohl fatal gewesen (auf einer Schienenkreuzung bremst ein Tram massiv schlechter).
Die Banane
Ich wendete mit dem 6er in Allschwil. Damals hatten wir DÜWAGs mit Anhänger. Kaffee war angesagt und ich marschierte Richtung Automat. Da kam ein Mann atemlos und erregt angerannt und legte los: «Ische due de Chauffeure? Mamma mia, ische mine Auto ganze kaputte, ische Katastrofa». Naja, mal schauen, und da stand das Auto: Seitlich wie eine Banane eingedellt, schön im Radius der Wendeschlaufe. Ich musste schwer einen Lachanfall unterdrücken, es sah zu komisch aus, aber der Mann war ja den Tränen nahe, ging also nicht! Was war passiert? Während mein Tram wendete, fuhr er fast ganz an den vorderen DÜWAG heran und hielt. Dann kam der eckige Anhänger mit seiner grösseren Ausladung und veränderte das Aussehen des Autos ziemlich radikal. Die Polizei machte dann dem armen Mann klar, dass weder der Drämmler noch der Anhänger schuld sei, sondern er selbst.
Im September 1983 fährt der DÜWAG-Motorwagen Be 4/6 626 mit dem Anhänger B 1424 in die Wendeschlaufe Allschwil ein. Diesmal steht kein Auto im Weg!
© Dominik Madörin, CH-Ettingen (Bild-Nr. 5.2075)
Geisterauto
Mit meinem 2er wendete ich in Riehen Dorf. Nach der Schlaufe waren damals Parkplätze vorhanden. Während des Wendens hörte ich ein hässliches Geräusch, das Unheil ankündete. Ich schaute nach und da stand ein vorher ein paar Meter weit weg geparkter PW, nun hinten ziemlich eingedrückt und alle Leuchten zersplittert – ganz eindeutig von meinem Anhänger. Aber ein Lenker war nirgendwo sichtbar! Des Rätsels Lösung: Im Auto war weder die Handbremse angezogen noch ein Gang eingelegt. Durch die Erschütterung des Trams fing der Wagen an rückwärts zu rollen; der Anhänger kickte dann das Auto wieder unsanft zurück.
Fröhliches Neujahr
An einem Silvester hatte ich Spätdienst. So fuhr ich nach Riehen (es gab damals noch keine Leitstelle). Dort stand plötzlich vor der Grendelmatte der Vorkurs, auf dem Puffer ein Auto, das den Bahnübergang überqueren wollte. Ich fragte den Kollegen, ob ich helfen könnte. Der Autolenker war unverletzt. Er bettelte den Kollegen flehentlich schon fast auf den Knien an, eine Schuldanerkennung unterschreiben zu können. Einfach keine Polizei! Nun, der Mann hatte sichtbar einiges über den Durst getrunken. Bei grösseren Schäden oder gar Verletzten hatten wir aber die Vorschrift, zwingend die Polizei einzuschalten, den Führerschein war er also los. Vermutlich hatten wir dann einige Zeit einen Fahrgast mehr auf der Linie 6!
Früher nur mit einfachen Blinklichtern gesichert: Übergang Grendelmatte in Riehen (23. April 2015).
© Dominik Madörin, CH-Ettingen (Bild-Nr. 14_345)
Rostlaube
Bei der Pauluskirche übersah ein Elsässer als Linksabbieger meinen Tramzug. Es kam zu einer schwachen Kollision. Der Fahrer stieg aus seiner ramponierten Karre und regte sich über sich selber auf. Dann stieg er wieder ein. Ich fragte, was das soll, ich müsse noch erst die Lage mit der gelben Kreide markieren. Sein Kommentar: «Mon Dieu, i ha jo nur welle luje, eb d Direktion (das Lenkrad) no goht»! Nach dem Anzeichnen fuhr er dann auf die Seite. Nun sah ich, dass das eigentlich nicht nötig gewesen wäre: Dort, wo das Auto stand, war ein schönes deutliches Rechteck aus Rost liegengeblieben.
Fataler U-Turn
Guten Mutes fuhr ich an der Breite ab und Richtung Birsfelden, den Kaffee schon im Visier. Rechts fuhr parallel ein LKW, den ich im Auge behielt, weil es da eine Spurverengung der Strasse gibt. Unvermittelt hatte ich den aber quer vor mir. Er wollte wenden, und das über die ganze Sperrfläche! Eine Vollbremsung und dann machtlos zuschauen, wie das Hindernis näher kommt. Es krachte ziemlich laut, die Frontscheibe ging in Brüche und ich schob den (zum Glück leeren) LKW ein paar Meter weg. Erstaunlicherweise entgleiste das Tram nicht und von den Fahrgästen stürzte niemand. Dann schaute ich nach dem Lenker des LKWs. Der schaute ziemlich deppert drein und bemerkte lakonisch: (ein Badenser) «I glaub, i hab Scheisse gebaut»! Dem war dann schlussendlich nicht viel hinzuzufügen…
Von der Birsbrücke an teilen sich Tram und Individualverkehr die Strassenfläche, ein denkbar schlechter Ort, um mit einem LKW zu wenden! Am 14. Februar 2013 bestand für der Be 4/4 477 mit B 1470 und Be 4/4 475 jedoch keine Gefahr.
© Dominik Madörin, CH-Ettingen (Bild-Nr. 10_151)
Tesla
Neben mir fuhr eine Kolonne Richtung Markthalle. Da wollte ein Tesla-Lenker ein Velo überholen, fuhr mir aber einfach seitlich in das Tram rein. Er fluchte über sich selber, er habe das Tram schlicht übersehen. Ich wandte ein, dieses schlaue Auto hätte das doch anzeigen sollen! Er erwiderte: «Im dichten Verkehr muss man diesen Mist abschalten, es blinkt und piepst sonst nonstop!» In der Realität sieht es eben oft anders aus als vom Erfinder gedacht…
Glück gehabt
Am Aeschenplatz fuhr ich in die Haltestelle der Linie 3, gleichzeitig fuhr der 14er nebenan weg. Und da kam doch tatsächlich jemand unter dessen Anhänger hervor. Mir blieb fast das Herz stehen! Er lag zwischen Randstein und Schiene und war völlig unverletzt. Dass die Räder des Anhängers ihm weder Arm noch Bein abgetrennt hatten, war ein Wunder. Wie der Mann dorthin gekommen war, wusste niemand.
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Zuletzt aktualisiert am 21. November 2023 von Dominik Madörin
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