Nachdem die Entdeckung von strukturellen Schäden an den Wagenkästen von COMBINO-Strassenbahnwagen verschiedener Betriebe zu einer verfügten Stilllegung von Fahrzeugen dieses Typs geführt hatte («COMBINO Grounding»), zeigten vertiefte Abklärungen des verantwortlichen Herstellers Siemens Transportation Systems (STS), dass ein uneingeschränkter Weiterbetrieb dieser Niederflurwagen nur nach einer grundlegenden Sanierung sicherstellt werden konnte. STS arbeitete daraufhin ein zweistufiges Sanierungskonzept aus, welches weltweit zur Anwendung kam. Mit der Zweistufigkeit erreichte STS, die dem Fahrgastbetrieb entnommenen Fahrzeuge möglichst rasch wieder dem Betrieb übergeben und die die endgültigen Sanierungsmassnahmen parallel dazu entwickeln zu können.

Sanierungsstufe I: Entlastungsmassnahmen

In der ersten Phase, welche in Basel Mitte April 2004 anlief, wurden alle COMBINO durch Sichtkontrollen und Farbeindringprüfungen sowie mittels Röntgenverfahren vorsorglich auf Schäden überprüft und kritische Verbindungsecken in der Wagenkastenstruktur nach Bedarf repariert (vgl. COMBINO-Grounding).

Verschiedene, relativ rasch umsetzbare Entlastungsmassnahmen hatten zum Ziel, die Krafteinwirkung auf die Wagenkästen zu reduzieren. Eine Teilmassnahme war der Einbau von Schwenk-Wanklagern anstelle von reinen Schwenklagern sowie der Einbau von Freiwegdämpfern in den Nicklagern. Ein Teil der Gelenke konnte so auch Torsionsbewegungen der Module gegeneinander zulassen, was die Verwindungslasten in den Wagenkästen verringerte.

In einem Wagen (Be 6/8 328) wurden versuchsweise andere Fahrwerkanlenker und Querdämpfer eingebaut, welche ein Ausdrehen der Fahrweke um 1,8 Grad zuliessen. Dadurch konnten die auf die Wagenkästen einwirkenden Kräfte insbesondere beim Kurveneinlauf reduziert und der Fahrkomfort leicht verbessert werden.

Wiederholungen der Röntgenuntersuchungen zeigten, dass bestehende Schäden nicht weiter voranschritten, was die Wirksamkeit der Sanierungsstufe I bestätigte. Die regelmässigen Untersuchungen dienten auch dazu, allfällige neue entstehende Schäden rasch zu entdecken.

Sanierungsstufe I.
© STS

Sanierungsstufe II: Komplettsanierung

In einer zweiten Stufe setzte STS eine Komplettsanierung der COMBINO sämtlicher betroffener Verkehrsbetriebe um. Parallel zu den Konstruktionsarbeiten wurden die Modifikationen einer detaillierten Nachberechnung unterzogen, die in einem rechnerischen Betriebsfestigkeitsnachweis endeten 1).

Die definitve Sanierung erfolgte nach dem Prinzip der «globalen Entlastung und lokalen Verstärkung». Eine wichtige Rolle spielte dabei die Ausrüstung sämtlicher Fahrwerke mit weicheren Dämpfern, wie im Basler Musterwagen 328 erprobt. Darüberhinaus wurden die Wagenkästen mit einer Reihe von konstruktiven Verstärkungen versehen. Betroffen davon waren im Wesentlichen die Obergurte, die Endportale und die Gelenk-Endträger aller drei Modularten (Kopf-, Mittel- und Fahrwerkmodul).

Sanierungsstufe II, Kopfmodul.
© STS
Sanierungsstufe II, Mittelmodul.
© STS

Die problembehafteten Alu-Grip-Verschraubungen wurden bis auf wenige Ausnahmen in schwach belasteten Partien drastisch reduziert und durch Schweissverbindungen ersetzt. Das dadurch entstandene Mehrgewicht liess sich grösstenteils durch den Einbau leichterer Sitze kompensieren.

Letzte Reste der Alu-Grip-Verschraubungen an der Türsäule des Heckmoduls im bereits sanierten Be 6/8 318. Die Schraubenköpfe sind unter den weissen Kunststoffkappen verborgen.
© Dominik Madörin, CH-Ettingen (Bild-Nr. DFA_8653)

Für die Komplettsanierung kehrten die Fahrzeuge der europäischen Betreiber in ihr seinerzeitiges Herstellerwerk in DE-Krefeld-Uerdingen zurück. Bei den Basler Wagen konnte die Ende 2005 begonnene Aktion allerdings erst im Dezember 2008 statt wie ursprünglich vorgesehen Ende März 2007 abgeschlossen werden (vgl. Be 6/8 301–328 COMBINO).

Rückkehr des ersten sanierten COMBINO (Be 6/8 310) am 22. Dezember 2006. Ablad beim BVB-Depot Wiesenplatz.
© Dominik Madörin, CH-Ettingen (Bild-Nr. 14.387)

Wanksteuerung

Im Zuge der Weiterentwicklung der Strassenbahnwagen COMBINO entwickelte STS zusammen mit Liebherr Aerospace eine passive hydraulische Wanksteuerung (auch Wankkopplung genannt). Dieses System diente insbesondere bei unebenem bzw. verwundenem Gleis zur weiteren Reduktion der Torsionsbeanspruchung der Wagenkastenstruktur und trug somit erheblich zur Erhöhung der Dauer- und Betriebsfestigkeit des Fahrzeugs bei. Ferner bot die Wanksteuerung, welche Wagenkasten-Fehlstellungen automatisch korrigierte, auch einen Schutz gegen Verwindungsentgleisungen und trug zu einem weicheren Kurveneinlauf bei.

Die BVB erprobten die Wanksteuerung zuerst wiederum beim Wagen 328. Obwohl nicht Teil des Sanierungskonzeptes von STS entschlossen sich die Verkehrsbetriebe aufgrund der positiven Resultate dazu, alle 28 Basler COMBINO damit auszurüsten.

Die passive Wanksteuerung besteht im Wesentlichen aus zwei Hydraulikzylindern und hilft, bei unebenem oder verwundenem Gleis die Beanspruchung der Wagenkastenstruktur und der Fahrwerkkomponenten zu verringern.
© Dominik Madörin, CH-Ettingen (Bild-Nr. D8B_7178)

1) Die Auswertung der Daten, die während Messfahrten mit dem mit 25,5 t Ballast beladenen Be 6/8 310 zwischen 21. Februar und 2. März 2007 ermittelt wurden, bestätigten später den rechnerischen Betriebsfestigkeitsnachweis der Basler Wagen.

Zuletzt aktualisiert am 28. Dezember 2022 von Dominik Madörin