BDe 4/4 1 der Waldenburgerbahn am 3. Juni 1989 in Liestal. Der Triebwagen präsentiert sich weitgehend so, wie er 36 Jahre zuvor abgeliefert wurde. Umbauten oder umfangreiche Modernisierungen waren bei den robusten und zuverlässigen Fahrzeugen nicht erforderlich.
© Dominik Madörin, CH-Ettingen (Bild-Nr. 1211.113)
Nachdem bei Waldenburgerbahn AG (WB) alle finanziellen, technischen und administrative Probleme geregelt waren, konnten im Mai 1952 die Arbeiten für die Elektrifizierung in Angriff genommen und drei Triebwagen bestellt werden. Anlässlich der Elektrifikation wechselte man auch den Anstrich: Die modernen Vierachser erschienen in elegantem Rot-Crème. Ausserdem führte die WB mit den neuen Triebwagen die in der Schweiz weit verbreitete halbautomatische +GF+-Tramkupplung ein und stellte von Vakuum- auf Druckluftbremse um.
Der mechanische Teil der CFe 4/4 mit den Betriebsnummern 1 bis 3 stammte aus dem Kanton Baselland, nämlich von der in Pratteln domizilierten Schindler Waggon AG (SWP). Die elektrische Ausrüstung lieferte das Werk Münchenstein von Brown, Boveri & Cie zu.
Nicht bei vielen Bahnen ist es möglich, den gesamten Triebfahrzeugbestand auf einem Bild festzuhalten. Im Mai 1983 gelang dies bei der WB im Bahnhof Waldenburg.
© Sammlung Dominik Madörin, CH-Ettingen (Bild-Nr. 1211.18)
Der Wagenkasten der CFe 4/4 war in leichter Stahlbauart ausgeführt. Untergestell, Seitenwände und Dach bildeten einen tragenden Verband in Form eines röhrenähnlichen, selbsttragenden Kastens. Der Innenraum gliederte sich in Führerstände, Plattformen und je ein Raucher- bzw. Nichtraucherabteil 3. Klasse mit quer angeordneten Holzbänken. Die Plattform auf der talseitigen Wagenseite II (Seite Liestal) war vergrössert, als Gepäckraum ausgebildet und mit sechs Klappsitzen versehen.
Übergangstüren in den Stirnwänden ermöglichtem dem Zugpersonal einen Fahrzeugwechsel auch während der Fahrt. Durch ihre aussermittige Anordnung liess sich trotz der geringen Fahrzeugbreite auf der Wagenführerseite ein grosses, beheiztes Stirnwandfenster einbauen. Die vier elektropneumatischen Türen mit Klapptrittbrettern sowie eine Sicherheitssteuerung («Totmann-Pedal») erlaubte aber auch einen einmännigen Betrieb.
Die Führerstände waren zu den anschliessenden Plattformen durch Wände vollständig abgetrennt und für sitzende Bedienung eingerichtet. Entsprechend wiesen die zentral vor dem Wagenführersitz angeordneten Direktkontroller ein schräggestelltes Handrad auf. Auf der rechten Seite unter dem Seitenfenster befanden sich das Führerbremsventil, der Verriegelungskasten mit den Steuerstrom-Schaltern, die Schalter für die Türbetätigung sowie das Handrad für die Handbremse. Geschwindigkeitsmesser, Manometer sowie weitere Anzeigen waren in der Ecksäule eingebaut. Sonnenblende, pneumatisch angetriebener Scheibenwischer und Fahrplanhalter vervollständigten die Ausrüstung des gegenüber den Dampflokomotiven hochmodernen Arbeitsplatzes.
Die Drehgestelle der CFe 4/4 wiesen aussenliegende Rahmen und längs angeordnete Wiegefedern auf. In beide Drehgestelle waren je zwei eigenventilierte Tatzlager-Motoren à 92 kW bzw. 125 PS Stundenleistung eingebaut. Die Unterbringung der vergleichsweise starken Motoren mitsamt Getriebe in den Drehgestellen bei einer Spurweite von lediglich 750 mm stellte eine besondere Herausforderung dar. Demzufolge fand die Konstruktion der BBC-Ingenieure europaweit grosse Beachtung. Jedes Drehgestell verfügte über Spurkranzschmierung und Sander.
Die elektrische Ausrüstung beruhte – als Novum bei 1500 V Fahrleitungsspannung – auf dem Prinzip der Direktsteuerung. Die vier Fahrmotoren waren in zwei Gruppen zu je zwei dauernd in Serie geschalteten Motoren aufgeteilt, welche ihrerseits in Reihe oder parallel geschaltet werden konnten. Vielstufen-Nockenkontroller ähnlicher Bauart wie jene der Be 4/4 401–456 der Basler Verkehrs-Betriebe (BVB) ermöglichten zwölf Serie- und neun Parallelstufen sowie elf Bremsstufen. Die Anfahr- und Bremswiderstände waren auf dem Fahrzeugdach angeordnet. Über dem Drehgestell I befand sich ein pneumatisch hebbarer Scheren-Stromabnehmer leichter Bauart.
Unzählige unüberwachte Bahnübergänge führten regelmässig zu Kollisionen, welche die Triebwagen meist gut überstanden. Aufgrund des geringen Rollmaterialbestands mussten die Wagen aber oft wieder eingesetzt werden, bevor die Reparaturarbeiten vollständig abgeschlossen werden konnten.
© Sammlung Dominik Madörin, CH-Ettingen (Bild-Nr. 1211.6)
Technische Daten bei Inbetriebnahme:
Typenbezeichnung: CFe 4/4
Anzahl Wagen: 3
Wagennummern: 1 bis 3
Im Linienbetrieb: 1953 bis 1993
Mechanischer Teil: SWP
Elektrische Ausrüstung: BBC
Anschaffungskosten/Wg.: ca. CHF 348’000.–
Länge über alles: 15’760 mm
Grösste feste Breite: 2’200 mm
Grösste feste Höhe: 3’945 mm
Radsatzabstand im Drehgestell: 2’300 mm
Drehgestellmittenabstand: 8’600 mm
Radsatzfolge: Bo’Bo‘
Dienstgewicht: 26’000 kg
Sitz-/Stehplätze: 36/34 (zusätzlich 6 Klappsitze)
Ladefläche: 2,7 m2
Lastgrenze: 1’500 kg
Höchstgeschwindigkeit: 55 km/h
Anzahl Fahrmotoren: 4
Hersteller/Typ: BBC
Stundenleistung: 4 x 125 PS bzw. 4 x 92 kW
Übersetzungsverhältnis: 1:3,400
Bremsen: elektrische Widerstandsbremse, Charmilles-Druckluftbremse, Handbremse
Umbauten oder umfangreiche Modernisierungen waren bei den robusten und zuverlässigen Motorwagen, welche mangels anderer Triebfahrzeuge bei der WB auch für Bauzüge herhalten mussten, nicht erforderlich. Bei Revisionen Ende der Siebzigerjahre frischte die WB-Werkstätte den Innenraum auf und rüstete den Zugfunk nach. Die Sitze erhielten eine Polsterung. Bei den BDe 4/4 1 und 2 wurde 1991–92 im Zusammenhang mit der Einführung des Streckenblocks die Zugsicherung eingebaut.
Mit der Ablieferung der zweiten Serie moderner Pendelzugs-Kompositionen konnte auf die BDe 4/4 1 bis 3 verzichtet werden. Eine museale Erhaltung eines Wagens schien vordergründig aus Platzgründen nicht möglich. Am 30. Dezember 1992 verliessen die Wagen 1 und 3 mit einer totalen Laufleistung von je zwei Millionen Kilometern das Waldenburgertal in Richtung Österreich. Der BDe 4/4 2 folgte am 21. April 1993 nach. Die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) hatten die Motorwagen – zusammen mit weiterem WB-Rollmaterial – erworben, um sie auf der Mariazellerbahn einzusetzen und den dortigen Bahnbetrieb zu rationalisieren. Bald zeigte sich jedoch, dass der Aufwand für den Umbau der Fahrzeuge (die Mariazellerbahn wird mit 25-Hertz-Wechselstrom und 6’500 Volt betrieben) zu gross war. 1996 gingen die Motorwagen an die deutsche Firma Eisenbahn-Betriebsgesellschaft GmbH (EBG) über. Geplant war, die Fahrzeuge auf diesel-elektrischen Antrieb umzubauen und auf den Zittauer Schmalspurbahnen in der Oberlausitz (Sachsen) einzusetzen. Umgebaut worden soll lediglich der BDe 4/4 2 sein. Dafür tauchten die BDe 4/4 1 und 3 auf dem Freigelände des Eisenbahn- und Technik-Museums in DE-Prora auf der Insel Rügen auf. Jahrelang im Freien abgestellt erfolgte schliesslich der Abbruch. Auch der Umbau des Wagens 2 schien nicht erfolgreich, so dass auch dieser schliesslich dem Schneidbrenner zum Opfer fiel.
Legendäre Abschiedsfahrt am 10. Januar 1993 mit dem letzten noch bei der WB verbliebenen BDe 4/4 2, dem G 212 und den B 51 und 49. Aufnahme in heute nicht mehr wiederzuerkennenden Gegend beim Altmarkt.
© Dominik Madörin, CH-Ettingen (Bild-Nr. 1211.127)
Fahrzeugporträts
CFe 4/4 1
→ ab 1956 BFe 4/4 1, ab 1961 BDe 4/4 1
Inbetriebsetzung: 1953
Ausmusterung: 1992
Verbleib: an ÖBB/Mariazellerbahn → 1996 an EBG → 20?? Abbruch
CFe 4/4 2
→ ab 1956 BFe 4/4 2, ab 1961 BDe 4/4 2
Inbetriebsetzung: 1953
Ausmusterung: 1993
Verbleib: an ÖBB/Mariazellerbahn → 1996 an EBG → 20?? Abbruch
CFe 4/4 3
→ ab 1956 BFe 4/4 3, ab 1961 BDe 4/4 3
Inbetriebsetzung: 1953
Ausmusterung: 1992
Verbleib: an ÖBB/Mariazellerbahn → 1996 an EBG → 20?? Abbruch
Zuletzt aktualisiert am 22. Dezember 2023 von Dominik Madörin
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