Nachdem in der aufstrebenden Industriestadt Gotha, seinerzeit Residenzstadt des Herzogtums Sachsen-Coburg und Gotha, Bemühungen, eine Pferdebahn vom Bahnhof ins Stadtzentrum einzurichten, scheiterten, beschloss der Stadtrat 1893 den Bau einer elektrischen Strassenbahn. Die erste Strecke vom Gothaer Hauptbahnhof − an der Bahnstrecke von Halle nach Bebra gelegen – durch das Stadtzentrum zur Waltershäuser Straße (Ecke Cosmarstraße) konnte am 2. Mai 1894 durch den Herzog von Sachsen-Gotha eröffnet werden und war 2,7 Kilometer lang. 1896 erfolgte die Verlängerung bis zur Dorotheenstraße.

Die Gelekwagen KT4D bildeten ab 1981 das betriebliche Rückgrat sowohl der Stadtlinien als auch der Thüringerwalbahn. Am 21. September 2019 ist der 2008 aus Erfurt übernommene Wagen 310 auf der Linie 4 (Thüringerwaldbahn) zwischen Leina und Wahlwinkel unterwegs.
© Dominik Madörin, CH-Ettingen (Bild-Nr. D8C_0282)

1902 konnte eine weitere, südlich des Stadtzentrums und des Schlosses Friedenstein verlaufende Strassenbahnstrecke Parkstraße–Reinhardsbrunner Straße–Dorotheenstraße in Betrieb genommen werden. Durch Verbindungen mit der bestehenden Strecke von 1894 liess sich ein Ringverkehr einrichten. Die neue Strecke musste allerdings 1916 auf Grund des Ersten Weltkriegs eingestellt werden und wurde nie mehr wieder in Betrieb genommen.

1911 folgte eine neue Strecke vom Arnoldiplatz zum Friedhof (1,54 Kilometer, 1985 eingestellt). 1912 konnte an der Waltershäuser Straße ein neuer Betriebshof errichtet werden, der den alten am Hauptbahnhof ablöste. 1928 fand die Inbetriebnahme des 1,35 Kilometer langen Streckenabschnitts Hersdorfplatz–Ostbahnhof statt.

Schon vor der Jahrhudertwende bestanden Pläne für ein ausgedehntes elektrisches Sekundärbahnnetz rund um Gotha. Angedacht waren Strecken nach Siebleben, Uelleben,  Günthersleben und Wechmar. Eine weitere Strecke sollte über Remstädt nach Goldbach führen und eine über Molschleben bis nach Töttelstädt. Davon zur Ausführung kommen sollte letztlich nur die Strecke von Gotha über Waltershausen zum beliebten Kurort Großtabarz (heute Bad Tabarz) im nordwestlichen Thüringer Wald, die sogenannte «Thüringerwaldbahn». Der Bau begann 1914, doch mussten die Arbeiten bereits im Folgejahr aufgrund des Ersten Weltkriegs unterbrochen werden. Bis zur Wiederaufnahme der Bauarbeiten sollten 13 Jahre vergehen; erst 1929 konnten die Thüringerwaldbahn (Streckenlänge 21,7 Kilometer) zusammen mit einer 2,4 Kilometer langen Stichstrecke zum Bahnhof in Waltershausen eröffnet werden.

2002 ging die bislang letzte Neubaustrecke in Betrieb. Sie führt zum Helios Kreiskrankenhaus in Gotha/Ohrdruf und wurde über ein Gleisdreieck in Sundhausen an die Thüringerwaldbahn angebunden.

Netzplan Gotha (Stand 2022) mit den Tramlinien 1, 2, 3, 4 und 6.
© Thüringerwaldbahn und Straßenbahn Gotha GmbH

1951 wurde der Verkehrsbetrieb in VEB (K) Thüringerwaldbahn und Straßenbahn Gotha umbenannt und mit neuen Fahrzeugen aus dem VEB Waggonbau Gotha (ehemals Gothaer Waggonfabrik) versorgt. 1981 erhielt der Betrieb sechs KT4D Kurz-Gelenkwagen von ČKD Tatra in CS-Prag – bis heute die letzten Neufahrzeuge!

Nach der Wende und der 1991 erfolgten Umbenennung in Thüringerwaldbahn und Straßenbahn Gotha GmbH (TWSB) begann eine schrittweise Modernisierung. Diese umfasste neben Gleis- und Fahrleitungsanlagen auch das Rollmaterial. Mit aus Mannheim und Bochum übernommenen Gelenkwagen GT6 sowie zahlreichen KT4D vom Nachbarbetrieb in Erfurt konnten die nicht mehr zeitgemässen Zweiachser und Gelenkwagen aus DDR-Produktion bis Mitte der Neunzigerjahre abgelöst werden. 2011 stiessen nochmals vier gebrauchte DÜWAG-Gelenkwagen aus Mannheim dazu, wobei es sich diesmal um GT8N mit niederflurigem Mittelteil handelte, um stufenloses Ein- und Aussteigen zu ermöglichen.

Durch die Übernahme gebrauchter Fahrzeuge aus Westdeutschland liessen sich die nicht mehr zeitgemässen Zweiachser und Gelenkwagen aus DDR-Produktion ablösen. Am 24. August 2009 fährt der Mannheimer GT6 324 vom Ostbahnhof her kommend den Nelkenberg hinunter.
© Dominik Madörin, CH-Ettingen (Bild-Nr. DDA_6826)

Warten auf Umbau und Inbetriebnahme: Am 22. September 2019 sonnen sich die GT8 206, 223, 252 und 204 im Betriebshof Waltershäuser Straße.
© Dominik Madörin, CH-Ettingen (Bild-Nr. D8C_0298)

Um entsprechend einer Vorgabe des Landkreises Gotha ab 2022 einen barrierefreien Zugang für blinde und sehbehinderte Menschen  sicherzustellen, begaben sich die TWSB frühzeitig auf die Suche nach gebrauchten Niederflurwagen. Eine Beschaffung von Neufahrzeugen war aus finanziellen Überlegungen von Anfang an ausgeschlossen. Bald stellte sich heraus, dass sich in Deutschland keine geeigneten Fahrzeuge finden liessen, so dass ein Kontakt zu der Baselland Transport AG (BLT) zustande kam. Die BLT verfügte nach Auslieferung der Be 6/10 171–189 (zweite Serie «Tango») über einen Fahrzeug-Überbestand und war so in der Lage, sechs Be 4/8 der Serie 201…259 kostengünstig abzugeben. Der Transport der Fahrzeuge von Oberwil nach Gotha erfolgte im August 2018 auf dem Strassenweg.

Da die Schweiz nicht zur EU gehört, waren die Fahrzeuge seinerzeit nicht nach den entsprechenden Normen gebaut worden, was die Zulassung in Deutschland erheblich erschwerte. Fehlende Dokumente, aufwendige Nachprüfungen von Druckluftbehältern, Radsätzen (Ultraschallprüfung) usw. sowie verschiedene  Umbaumassnahmen und Nachrüstungen verzögerten das Zulassungsverfahren zusätzlich. So konnte das erste an die neuen Betriebsbedingungen angepasste Fahrzeug, der Wagen 222, erst ab 7. Dezember 2021 im Linienverkehr eingesetzt werden.

Die TWSB rechneten mit einem Umbau von zwei Fahrzeugen pro Jahr, so dass der letzte der BLT-Wagen im Sommer 2024 in Betrieb kam. Der Be 4/6 206 diente als Ersatzteilspender und wurde – sämtlicher noch brauchbarer Teile entledigt – im Herbst 2024 abgebrochen.

Die Thüringerwaldbahn weist durchaus Parallelen zur Strecke nach Rodersdorf auf, so dass sich die BLT-Wagen in Gotha rasch heimisch fühlen dürften (GT8 222 am 19.07.2022 in Sundhausen).
© Dominik Madörin, CH-Ettingen (Bild-Nr. DFF_2067)