Als schienengebundenes Fahrzeug ist ein Tram ja eine Art Bahn. Und so ist der Drämmler auch irgendwie ein verkappter Lokführer, der anstatt mit 100 oder mehr Kilometern pro Stunde auf eigenem Gleis eher im Schritttempo durch die Stadt tuckert. Der Lokführer muss bei den hohen Geschwindigkeiten Signalen und Stellwerken vertrauen. Ein Übersehen eines einzigen Signals kann katastrophale Auswirkungen haben. Allerdings verhindern ausgeklügelte Sicherheitssysteme solche Fehler. Der Tramführer ist da viel langsamer unterwegs, muss aber seine Fahrstrasse selber stellen. Eine falsch gestellte Weiche kann auch fatale Auswirkungen haben! Im Gegensatz zur Eisenbahn hat das Tram (ausser in einigen Bereichen) kein eigenes Trasse; Fussgänger und andere Verkehrsteilnehmer sind auch auf den Gleisen anzutreffen. Trams sind heute bis 70 Tonnen schwer und auf Schienen kann der Bremsweg recht lang sein, eine oft gefährliche Durchmischung der Verkehrsteilnehmer!

Der Beruf ist im Grunde nicht schwer zu erlernen, im Prinzip kann das jeder. Aber einiges wird doch oft unterschätzt. Eine kleine Unachtsamkeit, und man steht vor Gericht. Auch der unregelmässige Dienst erfordert hohe Disziplin. Ein paar Minuten zu spät am Ablöseort, und das Tram ist mit einem wohl eher sauren Kollegen schon weg! Wie alle Schichtberufe nagt die unregelmässige Arbeitszeit etwas an der Gesundheit und das Privatleben leidet doch erheblich darunter.

Sicher ist die Schichtarbeit manchmal mühsam und so mehrere Tage um 4 Uhr morgens aufzustehen, geht doch etwas an die Substanz. Doch auch das kann seine schönen Seiten haben. Es ist schon etwas Spezielles: Man bereitet das Tram zur Ausfahrt im Depot vor und befährt die noch fast menschenleere Stadt. Und so eine Fahrt in den Sonnenaufgang kann durchaus auch sehr schön sein. Generell ist das Wetter ein sehr eindrücklicher Faktor und ist ja nie genau gleich. Im Vergleich mit den Menschen, die den ganzen Tag in einem geschlossenen Raum, vielleicht sogar im Untergeschoss tätig sind, kam ich mir immer privilegiert vor!

Drämmler-Originale

So wie bei den Fahrgästen auch, gab und gibt es auch unter den Berufskollegen und Kolleginnen auch immer etwas spezielle Typen, nicht verwunderlich, da hier alle möglichen Berufsgattungen zusammenkommen. Und da etwas einsam im Führerstand, kommen da sicher auch einige Marotten zu Tage. Bekannt war der «Schellenursli», der zu jeder Tages- und Nachtzeit den Klingelknopf mit unglaublicher Inbrunst betätigte. Oder jener, der durch das Mikrophon immer ein Vogelgezwitscher imitierte. Berühmt-berüchtigt war auch jener Buschauffeur, der sich als völlig verkannten Caruso verstand, und seine Fahrgäste mit seinen Arien zuschmetterte. Die eher älteren Damen fanden das wohl noch bezaubernd, viele jedoch warteten dann doch lieber den nächsten Bus ab.

Halterstellenansagen (es gab ja früher noch nicht diese automatischen Ansagen) gaben immer Grund zu Diskussionen. Auch da die Technik eher rudimentär war: Entweder war die Durchsage kaum hörbar, es kratzte oder aber man bekam einen Tinnitus. Einige versuchten, diese Ansagen möglichst lustig vorzubringen, was aber bei Stammgästen nicht so gut ankam: Die Durchsage «Bahnhof SBB, umsteigen nach Zürich und Bern» ist ja auch nicht gerade der Reisser. Oder die Ansagen wurden kräftig vereinfacht: Ich erinnere mich an eine Durchsage beim Brausebad: «Brause, umsteigen Kanna-Volta». Ein neuer Angestellter befand das alles zu langweilig und laberte seine Fahrgäste mit allen möglichen Ansagen voll, trotz Ermahnung, damit aufzuhören. Derart abgelenkt, übersah er dann eine falsch stehende Weiche am Steinenberg, entgleiste und kam spektakulär beim Eingang des damaligen Einrichtungshauses «Hofstetter» zum Stehen. Damit war dann für ihn «Ende der Ansage»!

Da gab es auch diese Wagenführer, die durch ihren sehr rustikalen Fahrstiel berüchtigt waren. Hier mussten sich die Fahrgäste geradezu festklammern, um nicht mit blauen Flecken den Tag zu beenden. Wer dann noch mit Rennen das (zu frühe) Tram erreichen wollte, stand vor verriegelter Türe und sah dann den Wagen in einer Staubwolke mit durchdrehenden Rädern wegbrausen. Unaufmerksame Automobilisten hatten bei diesen Kollegen eher schlechte Karten. Damals war die grüne Farbe als recht teuer berüchtigt. Da diese Kollegen aber immer pünktlich (aber meist zu früh) unterwegs waren, übersah man die häufigen «Kollateralschäden» meist grosszügig, konnten sie doch mit Kurseinsparungen begründet werden.

Erst 1986 wurden die ersten Wagenführerinnen eingestellt. Zuvor waren Frauen in den Tramwagen nur als Billeteusen anzutreffen (Aufnahme um 1962).
© BVB (Sammlung Dominik Madörin, CH-Ettingen)

Drämmlerinnen

Als ich anfing, war Drämmli-Führer noch ein reiner Männerjob. Es war ja seltsam: Im Krieg waren Frauen überall willkommen und konnten auch alles genau gleich wie die Männer. Danach hiess es dann aber: Zurück in die Küche und an den Herd! Es blieben noch die damaligen Billeteusen, die in meinen Anfangsjahren aber nur noch auf den alten Zweiachsern als Zugbegleiterinnen tätig waren. Ab 1986 wurden dann endlich auch die ersten Frauen als Wagenführerinnen eingestellt und siehe da: Sie konnten das auch! Es gab nämlich damals nicht wenige, die das in Frage stellten! Heute gehören Frauen im Führerstand und Pilotinnen im Cockpit zum ganz alltäglichen Berufsbild. Und ich denke, dass dies jeden Betrieb nur positiv beeinflusst. Es ist jedoch eine Schande, dass Frauen im Führerstand tatsächlich viel mehr von einfältigen Fahrgästen blöd angemacht und belästigt werden, als wir Männer.

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Zuletzt aktualisiert am 21. November 2023 von Dominik Madörin