Begegnung zweier Fahrzeug-Generationen, beide von Schindler Waggon AG in Pratteln (SWP) gebaut: Blau-weisser Pendelzug Generation 1966 mit Bt 23 an der Spitze und neuer Strassenbahn-Gelenkwagen Be 4/6 Serie 200. Aufnahme im Sommer 1984 in der Nordschlaufe des neu errichteten Tramdepots Hüslimatt.
© Sammlung Dominik Madörin, CH-Ettingen (Bild-Nr. 7.1300)
Die Linie 17 (Basel–Rodersdorf) der Baselland Transport AG (BLT) – bis 1974 von der ehemaligen Birsigthalbahn AG (BTB) betrieben – wurde im wahrsten Sinne über Nacht von einer veralteten Überland-Schmalspurbahn zum leistungsfähigen Vorortstram. Zehn Jahre wurde darauf hingearbeitet, um die Linie in die Stadt einführen und so deren Attraktivität steigern zu können.
1972 unterbreitete der Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft dem Landrat ein Kreditgesuch für eine generelle Projektierung von Ausbauten der Vorortsstrecken. Die Ausbau-Absichten waren auf einen mittel- bis langfristigen Zeitraum (15 bis 25 Jahre) ausgerichtet und verfolgten folgende Zielsetzungen:
- Reduktion der Konfliktpunkte zwischen öffentlichem und individuellem Verkehr (Aufhebung Niveauübergänge)
- Verdichtung der Fahrpläne
- Optimierung von Haltestellenabständen zwecks Erhöhung der Reisegeschwindigkeit
- Verbesserungen der Trassierung
- Doppelspur-Ausbauten so weit als möglich
Eine in diesem Zusammenhang untersuchte Idee einer Umstellung der vor den Toren der Stadt auf der Heuwaage endenden Vorortslinie 17 auf ein «Minirail» genanntes Hochbahn-System wurde im April 1975 nach vertiefter Prüfung verworfen. Dieser Entscheid ebnete gleichzeitig den Weg für die Projektierung eines Ausbaus auf Basis des bestehenden Bahnsystems.
Mit Beschluss Nr. 810 vom 14. Juni 1976 nahm der Baselbieter Landrat von dem ihm vorgelegten Konzept «Grünes Licht für den öffentlichen Verkehr» zustimmend Kenntnis und bestätigte so die vorgesehenen Ziele und Massnahmen zur Förderung des öffentlichen Verkehrs. Das Konzept hielt unter anderem erstmals den Grundgedanken fest, die Linie 17 zwecks Weiterführung in die Innenstadt mit dem Strassenbahnnetz der Basler Verkehrs-Betriebe (BVB) zu verbinden und den Betrieb auf Tramrollmaterial mit Einrichtungswagen umzustellen.
Bereits am 4. Januar 1977 lag das «Generelle Projekt Ausbau der BLT-Linie 17» vor. Der auf Planungsstudien basierende Projektvorschlag wurde am 2. Mai 1977 mit Beschluss Nr. 1673d vom Landrat genehmigt und bildete die verbindliche Rechtsgrundlage für die Aufnahme der Detailplanungen von Kanton und Gemeinden. Dabei sollte die Führung der Linie 17 auf der Landschaft grundsätzlich beibehalten, das Trassee jedoch bis Ettingen auf Doppelspur ausgebaut werden. In Übereinkunft mit dem Kanton Basel-Stadt war die Verknüpfung mit dem Tramnetz über eine neue, auf Stadtgebiet liegende Gleisverbindung von der Haltestelle Dorenbach zur Haltestelle Margarethen («Margarethenstich») vorgesehen. Die BVB-Tramlinie 7 zwischen Margarethen und Binningen Kronenplatz sowie der Abschnitt Dorenbach–Heuwaage der Linie 17 wären dabei aufgehoben worden!
Im Verlauf der öffentlichen Planauflage erwuchs dem Projekt Widerstand aus der Gemeinde Binningen, wo unter anderem vorgesehen war, die neue Doppelspur in Mittellage in der Baslerstrasse anzulegen. Daraufhin beantragte der basellandschaftliche Regierungsrat dem Landrat eine Änderung des generellen Projekts für diesen Bereich. Eine sogenannte «Tunnelvariante» hätte die Verbindung zum Stadtnetz durch Verknüpfung mit der Linie 7 in der Binninger Hauptstrasse statt bei der Haltestelle Margarethen vorgesehen. Dabei wären die Wagen der Linie 7 im Bereich der Haltestelle Hohle Gasse über eine 75 m lange Rampe in einen 670 m langen Tunnel eingetaucht, welcher unter der Weihermattstrasse, der Schlossgasse, dem Schafmattweg, der Bruckenstrasse und der Parkstrasse durchgeführt hätte. Unmittelbar nach dem Tunnelende hätte die Doppelspur in einer 55-Promille-Steigung den Birsig überquert, um nach Kreuzung der Gorenmattstrasse bei der Bottmingermühle wieder in das bestehende, bereits zu BTB-Zeiten doppelspurig ausgebaute Trassee einzumünden. Die beiden Haltestellen Kronenplatz und Binningen (Schloss) wären durch eine neue, in Tieflage angeordnete Haltestelle Schlossgasse ersetzt und die Gleisanlagen von der Heuwaage bis zur Gorenmattstrasse sowie von der Hohlen Gasse bis zum Kronenplatz mitsamt den Haltestellen Oberdorf und Dorenbach aufgehoben worden.
In Binningen sollte die Doppelspur in der Mitte des Strassenkörpers angelegt werden, was heftigen Widerstand auslöste. Am 23. Juni 1972 passiert ein BTB-Pendelzug, bestehend aus Bt 27, B 53 und ABe 4/4 14, diesen seinerzeit noch einspurigen, als Gleisverschlingung angelegten Bereich.
© Sammlung Dominik Madörin, CH-Ettingen (Bild-Nr. -)
Der Landrat folgte dem Änderungsantrag der Regierung und ergänzte mit Beschluss vom 5. Mai 1980 das generelle Projekt um die Tunnelvariante. Die Gemeinde Binningen hatte sich an den Kosten des Tunnelbauwerks finanziell zu beteiligen. Gemeinderat und Einwohnerrat stimmten dem ausserordentlichen Gemeindebeitrag in Höhe von 3,445 Mio. Franken denn auch zu, doch lehnten die Binninger Stimmbürger die dem obligatorischen Finanzreferendum unterstellte Vorlage in der Abstimmung vom 27. September 1981 ab.
Die Einführung der Linie 17 ins Stadtnetz musste somit nochmals einer Überarbeitung unterzogen werden. Die dazu eingesetzte Spezialkommission unter gemeinsamer Leitung der Regierungen der beiden Halbkantone präsentierte ihren Bericht im März 1983. Ein neues Konzept baute auf einem modifizierten Binninger Tunnel auf, der für eine Verlängerung in beide Richtungen vorbereitet gewesen wäre und vorwiegend den Kursen in Richtung Bahnhof SBB gedient hätte. Die weitgehend einspurige Strecke von der Bottmingermühle bis zur Heuwaage wäre beibehalten und von einer zweiten Linie in die Innenstadt befahren worden. Der für diese vorgesehene 12-Minuten-Takt hätte einen Verzicht auf Doppelspurausbauten in Binningen zugelassen. Dennoch hätte die Bevölkerung des Leimentals sowohl von direkten Kursen via Heuwaage in die Innenstadt als auch von einer direkten Verbindung zum Bahnhof SBB profitiert.
Per 1. Januar 1983 trat eine neue Vereinbarung zwischen beiden Basel in Kraft, welche in erster Linie den Betrieb des öffentlichen Verkehrs über die Kantonsgrenzen hinweg sowie Belange der Finanzierung regelte. Zusätzlich verpflichtete sich der Stadtkanton mit diesem Staatsvertrag dazu, auf seinem Hoheitsgebiet sämtliche Voraussetzungen zu schaffen, um auf den Fahrplanwechsel 1985/86 die Einführung der Linie 17 aus dem Leimental in die Innenstadt mindestens bis zur Schifflände zu ermöglichen. Aufgrund der eingetretenen Verzögerung als Folge der Tunnel-Diskussionen war der vorgesehene Termin allerdings bereits zu diesem Zeitpunkt nicht mehr realistisch und eine definitive Lösung für die Einführung der Linie 17 in weite Ferne gerückt.
Zwischen 1981 und 1984 vorgenommene Ausbauten. Die verbliebenden Einspurstrecken Nrn. 1, 2 und 3 liessen zwischen Ettingen und Heuwaage nur ein 10-Minuten-Intervall zu. Das geringere Fassungsvermögen der Tramwagen gegenüber den alten, im Viertestundentakt verkehrenden Pendelzügen erforderte während Spitzenzeiten den Einsatz von Dreifachtraktionen, was weitere Anpassungen der Infrastruktur nötig machte.
Ausbaumassnahmen
Im Gegensatz zu den im Abschnitt Binningen aufgetretenen Schwierigkeiten konnten die Projektierungsarbeiten für das mittlere und hintere Leimental im Anschluss an das im Jahre 1977 genehmigte Generelle Projekt planmässig vorangetrieben werden. Im Sommer 1980 unterbreitete der basellandschaftliche Regierungsrat dem Parlament die Vorlage für einen entsprechenden Bau- und Investitionskredit für den Abschnitt Bottmingen–Rodersdorf. Der Landrat genehmigte am 1. September 1980 die erforderlichen 50,3 Mio. Franken als Bruttokredit, von welchem 15,1 Mio. Franken auf den Bund, 26,2 Mio. Franken auf den Kanton Basel-Landschaft, 3,6 Mio. Franken auf den Kanton Basel-Stadt und 5,4 Mio. Franken auf den Kanton Solothurn entfielen. Dem gegen diesen Beschluss ergriffenen Referendum war kein Erfolg beschieden; der Kredit wurde in der am 30. November 1980 durchgeführten Volksabstimmung gutgeheissen.
Im mittleren und hinteren Leimental konnten die Ausbauarbeiten 1981 aufgenommen werden, dies unter ständiger Aufrechterhaltung des Bahnbetriebs: Neubau von Wendeschlaufe und Stationsgebäude in Ettingen.
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Die zwischen 1981 und 1984 unter Mithilfe des kantonalen Tiefbauamtes vorgenommenen Hauptarbeiten umfassten:
- Doppelspurausbau Bottmingen–Ettingen
- Neubau von Wendeschlaufen in Oberwil (Hüslimatt), Ettingen, Flüh und Rodersdorf
- Neubau Depot Hüslimatt mitsamt Personal- und Verwaltungsräumen sowie Stützpunkten für die Unterhaltsdienste
- Neubau Stromversorgung 600 Volt mit fünf Gleichrichterstationen 1)
- Neubau Haltestelle Stallen
- Anpassungen von bestehenden Haltestellen
- Neubau von drei Bahnbrücken
- Neubau von zwei Strassenbrücken
- Neubau von drei Fussgängerbrücken
- Anpassungen von Fahrleitung und Sicherungsanlagen
- flankierende Strassenbauten
In meterlangen Listen waren sämtliche Arbeiten festgehalten, mit dem Vermerk, ob sie vor, während oder nach der Betriebsumstellung zu erfolgen hatten. Die Baumassnahmen vor der Umstellung erfolgten unter ständiger Aufrechterhaltung des Bahnbetriebs und ohne Einschränkungen des Fahrplanangebots.
Für die neuen Anlagen kamen auf das neue Rollmaterial abgestimmte Normen zur Anwendung. Dies bedeutete, dass die alten, breiteren Pendelzüge wohl auf beiden Gleisen der neuen Doppelspur fahren konnten, sich aber ausser in Stationen, wo der Gleisabstand grösser war, nicht begegnen durften, was faktisch einem Einspurbetrieb auf doppelspuriger Strecke gleichkam. Die Unterschreitung von Sicherheitsabständen beim alten Rollmaterial machte es zudem erforderlich, die Senkfenster ganz zu blockieren bzw. deren Öffnungshöhe auf maximal sieben Zentimeter zu beschränken. Einige voll öffnungsfähig belassene Fenster erhielten eine Vergitterung. Durch den Ausbau des eingleisigen Trassees zwischen Bottmingen und Ettingen wurden knapp sieben Kilometer der total 16,07 km langen Strecke doppelspurig.
Übergangslösung
36 der insgesamt 66 im Jahre 1977 bei der Firma Schindler Waggon AG in Pratteln (SWP) in Auftrag gegebenen und in den Jahren 1978 bis 1981 gelieferten Gelenk-Motorwagen des Typs Be 4/6 waren für den Einsatz auf der Linie 17 bestimmt. Diese ab Februar 1980 gelieferten Wagen mit den Betriebsnummern 231 bis 266 verfügten teilweise über Sonderausrüstungen wie BLT-Betriebsfunkgeräte «Storno», Überlandhorn, Sicherheitssteuerung, Zugsicherung und Abrissbremse für die Bildung von Dreifachtraktionen 2). Zwecks Vermeidung von Standschäden kamen sie sporadisch auf den Linien 10 und 11 zum Einsatz. Im März 1983 wurden die Be 4/6 245, 246, 248, 250 sowie 251 und im Mai 1983 weitere zehn Be 4/6 auf dem Strassenweg ins noch nicht an das Netz angeschlossene Depot Hüslimatt überführt, um die anderen Depots zu entlasten.
Zwecks Vermeidung von Standschäden wurden die ab Februar 1980 gelieferten und für die Linie 17 bestimmten Be 4/6 231ff. sporadisch auf den Linien 10 und 11 eingesetzt: Be 4/6 257 mit Be 4/6 2?? am 30. Oktober 1982 in der Münchensteinerstrasse.
© Sammlung Dominik Madörin, CH-Ettingen (Bild-Nr. 7.1346)
Es lag auf der Hand, das neue Rollmaterial im Rahmen einer (vermeintlichen) Übergangslösung schon vor der abschliessenden Klärung der Einführungsfrage auf der Linie 17 einzusetzen. Mit Fertigstellung der Ausbauten im mittleren und hinteren Leimental wäre auf dem Abschnitt Rodersdorf–Hüslimatt eine Umstellung auf Tramrollmaterial bereits ab Frühjahr 1983 möglich gewesen. Dies wäre allerdings mit einem unbequemen Umsteigebetrieb verbunden gewesen, da der vordere Streckenabschnitt weiterhin mit dem alten Rollmaterial hätte bedient werden müssen. Von der Idee einer Zweiteilung des Betriebs kam man daher im Interesse der Fahrgäste wieder ab.
Für einen Trambetrieb bis zur Heuwaage war auf dem Gebiet des Kantons Basel-Stadt der Bau einer provisorischen Wendeschlaufe auf der Heuwaage mitsamt eingleisiger Dienst-Verbindung zum Stadtnetz (für Überführungen von Tramwagen von und zur SWP) nötig. Eine Taktverdichtung auf zehn Minuten sowie grössere Fahrplan-Flexibilität liessen sich durch einen einfach umsetzbaren Doppelspurausbau von der Kantonsgrenze (Haltestelle Dorenbach) bis zur SNCF-Brücke (260 m) erreichen. Das entsprechende Kreditbegehren in Höhe von 3,1 Mio. Franken winkte der Grosse Rat am 16. Juni 1983 durch. Der Landrat beschloss am 7. November 1983 die auf Landschäftler Boden erforderlichen Baumassnahmen an Haltestellen, Weichen, Fahrleitung und Energieversorgung, welche mit 792’000 Franken zu Buche schlugen. Gleichzeitig beauftragte er den Regierungsrat, neben der Tunnelvariante ein zweites Projekt für einen 6-Minuten-Betrieb in der Talsohle ausarbeiten zu lassen.
Die drei verbliebenden eingleisigen Abschnitte des bestehenden Trassees zwischen Bottmingermühle und Heuwaage (Bottmingermühle–Binningen Schloss [«Spiesshöfli»], Binningen Schloss–Oberdorf [Gleisverschlingung] und SNCF-Brücke–Heuwaage) liessen eine Kursfolge alle siebeneinhalb oder gar sechs Minuten nicht zu, welche zur Bewältigung des Fahrgastaufkommens mit Strassenbahn-Gelenkwagen Be 4/6 in Doppeltraktion nötig gewesen wäre. Die BLT schlug daher eine Betriebsvariante mit Kompositionen in Dreifachtraktion im 10-Minuten-Intervall vor. Da 60 m lange Tramzüge auf dem Stadtnetz nicht verkehren konnten, war ein möglicher Einsatz solcher im Leimental in sämtlichen Projektierungs- und Planungsphasen bisher unberücksichtigt geblieben. Insbesondere im Bereich des neu erstellten Doppelspur-Abschnitts Bottmingen–Ettingen waren daher ergänzende bauliche Massnahmen erforderlich. Im Einzelnen handelte es sich um die Verlängerung von Haltestellen sowie um die Versetzung von Fahrleitungsmasten und Fussgängerüberwegen. Der Landrat sprach dafür – nicht ganz diskussionslos – am 30. April 1984 einen Zusatzkredit in Höhe von 400’000 Franken.
Umstellungsproblematik
Bekanntlich musste neues Rollmaterial beschafft werden, da die schweren, grösstenteils aus dem Jahr 1966 stammenden Vorortsbahn-Fahrzeuge der ehemaligen BTB aus technischen Gründen nicht auf dem Tramnetz der BVB einsetzbar waren. In folgenden wesentlichen Punkten unterschieden sich die alten BTB-Wagen von Tramfahrzeugen (deren Werte in Klammern):
- Fahrdraht-Nennspannung: 940 V (600 V)
- Fahrzeugbreite: 2,50 m (2,20 m)
- Spurkranzbreite: 30 mm (25 mm)
- Minimal befahrbarer Kurvenradius: 40 m (12 m)
Es ist offensichtlich, dass auch ein Parallelbetrieb nicht in Frage kommen konnte und die Umstellung auf das neue Rollmaterial nur während eines geplanten Betriebsunterbruchs möglich war.
Die Umstellung des Abschnitts Rodersdorf–Flüh wurde einige Tage vorgezogen. Vom 14. September 1984 standen auf dieser Teilstrecke alleinfahrende Tram-Motorwagen im Fahrgastbetrieb (Be 4/6 250 kurz vor Leymen).
© Dominik Madörin, CH-Ettingen (Bild-Nr. 7.1323)
Lediglich die Umstellung des Abschnitts Rodersdorf–Flüh liess sich einige Tage vorziehen, insbesondere um die Wagenführer auf das neue Rollmaterial umschulen zu können. Nach einigen Tagen Ersatzverkehr mit einem BLT-Bus konnte der Fahrgastbetrieb am Nachmittag des Freitags, 14. September 1984 aufgenommen werden. Für die Weiterfahrt nach Basel musste in Flüh auf das alte Rollmaterial umgesteigen werden. Die gelben Tramwagen wendeten in Rückwärtsfahrt.
Die genaue Dauer des Unterbruchs für die Umstellung der Reststrecke war lange Zeit ungewiss. Zur Diskussion standen ein Betriebsunterbruch von einer Woche oder zumindest von einem verlängerten Wochenende. Die schliesslich gewählte Lösung, die Umstellung in einer Nacht zu vollziehen und dadurch den Unterbruch dem Fahrgast zuliebe so möglichst kurz zu halten [sic!], erschien aussergewöhnlich und wurde in Fachkreisen mit grosser Skepsis aufgenommen. Sie wurde möglich durch das kompromisslose Ausscheiden aller Arbeiten, die nicht absolut zwingend in der Umstellungspause erfolgen mussten. Schlussendlich ergab sich, dass neben einer Gleisverschwenkung bei der Hüslimatt einzig die Anpassung der Weichen an die geringere Spurkranzbreite in der Umstellungspause vorgenommen werden musste. Alle übrigen Arbeiten liessen sich bei geschickter Projektierung vor oder nach der Umstellung vornehmen. Die neue 600-Volt-Stromversorgung konnte beispielsweise parallel zur alten erstellt werden, so dass in der Umstellungsnacht lediglich die entsprechenden Fahrleitungsschalter betätigt werden mussten. Zwei Gleichrichter liessen sich aus Platzgründen allerdings erst nach der Umstellung montieren. Die dadurch erwarteten Engpässe bei Spitzenbelastungen nahm man als Restrisiko bewusst in Kauf.
Eine generalstabsmässige Vorbereitung der für die Umstellungsnacht verbliebenen Arbeiten war unerlässlich. Für sämtliche Weichen wurden Herzstücke und Radlenker passend für das neue Rollmaterial hergestellt. An der Einbaustelle wurden die Trennstellen an den Schienen farblich markiert. Die entsprechenden Teile konnten so in der Umstellungsnacht wie bei einem Baukastensystem gewechselt und provisorisch verlascht werden. Die Vorbereitungsarbeiten gingen so weit, dass alle Schienenbefestigungsschrauben, welche in der Umstellungsnacht infolge einer Anpassung gelöst werden mussten, zuvor kontrolliert, gefettet und nach Bedarf ersetzt wurden.
Letzte Fahrten mit altem Rollmaterial (28. September 1984)
Heuwaage ab | Flüh ab | Oberwil an | |
Be 4/4 11 + B 51 + Bt 21 Be 4/4 16 + B 65 + Bt 27 Be 4/4 15 + B 53 + Bt 25 Be 4/4 13 + B 61 + Bt 23 Be 4/4 14 + B 52 + Bt 24 |
– 17: 30 Uhr – 17: 45 Uhr – |
17:27 Uhr – 17:42 Uhr – 17:45 Uhr (Dienstzug) |
17:42 Uhr 17:41 Uhr 17:57 Uhr 17:56 Uhr 18:00 Uhr |
Fahrplanmässige Zeiten, welche aufgrund des grossen Publikumsandrangs nicht ganz eingehalten werden konnten.
Die Nacht der Nächte
Der Umstellungstermin wurde aus zwei Gründen auf die Nacht Freitag/Samstag, 28./29. September 1984 festgelegt. Zum einen konnte der frequenzschwache Samstag als «Anlauftag» genutzt werden. Zum anderen erübrigte der tags darauf erfolgte kleine Fahrplanwechsel die Ausarbeitung eines Interimsfahrplans.
Am letzten Betriebstag des blau-weissen Bähnchens trugen alle Wagenführer die alte Uniform und schwarze Krawatten zum Abschied. Die beiden letzten, blumengeschmückten Züge fuhren vollbesetzt mit Bahnfreunden gleichzeitig um 17:45 Uhr ab Heuwaage und Flüh in Richtung Oberwil. Unzählige Leute säumten die Geleise und hielten die Züge öfters mitten auf der Strecke an, um dem Wagenführer Abschiedsblumen zu überreichen oder um ein Foto zu knipsen. Von 18:00 bis 01:00 Uhr stellten 14 Busse den Ersatzverkehr sicher. Sie verkehrten in der Spitzenzeit im Dreierpack: Zuvorderst ein ortskundiger BLT-Bus, gefolgt von einem Bus der BVB und einem Postauto der Schweizerischen Reisepost (PTT).
Kurz vor 17:45 Uhr steht auf der Heuwaage der letzte blau-weisse Pendelzug, bestehend aus Bt 23 + B 61 + Be 4/4 13, für die Abfahrt nach Oberwil bereit.
© Dominik Madörin, CH-Ettingen (Bild-Nr. 1133.32)
Auf dem Depotgelände in Oberwil hatte sich eine grosse Menschenmenge eingefunden, welche die Ankunft der letzten Züge miterleben wollte. Sofort nach Eintreffen der dreiteiligen Kompositionen wurden diese getrennt und die einzelnen Wagen nach einem speziellen Plan auf die Gleise des Depots rangiert: In die westliche Haupthalle (Gleise 11 bis 14) kamen jene Fahrzeuge zu stehen, welche bereits an die beiden Westschweizer Bahnen Aigle–Ollon–Monthey–Champéry (AOMC) bzw. Aigle–Sépey–Diablerets (ASD) verkauft worden waren und deren Abtransport unmittelbar bevorstand. Die übrigen Fahrzeuge, deren weitere Verwendung noch nicht endgültig geklärt war, fanden in der auf der anderen Seite der Stammgleise liegenden Remise (Gleise 17 und 18) bzw. auf dem davorliegenden Stumpengleis Platz.
Nachdem der Be 4/4 7 die letzten Rangierbewegungen durchgeführt hatte, wurde die Fahrleitung spannungslos geschaltet und die Umbauarbeiten aufgenommen. 160 Arbeiter von zwölf Firmen und 45 BLT-Angestellte standen auf 14 Baustellen im Einsatz. In jener Nacht wurden
- 4 alte Weichen entfernt
- 10 Gleiszusammenschlüsse erstellt
- 16 Weichenherzstücke ausgewechselt
- 2 Herzstücke aufgeschweisst
- eine Durchschneidung eingesetzt
- provisorische Fahrleitungsstücke demontiert
Daneben mussten die Plakatfahrpläne auf sämtlichen Haltestellen der ganzen Linie ausgewechselt werden.
Der Einsatz aller Beteiligten war gross, denn die zur Verfügung stehende Zeit war äusserst knapp bemessen. Nach dem Einregulieren und Wiedereinschalten der Fahrleitung mit 600 Volt konnte um 03:15 Uhr die erste Kontrollfahrt, bestehend aus dem Be 4/6 237, auf der Heuwaage abfahren. Es handelte sich um einen der sieben Gelenkwagen, welche zuvor aus den Depots Arlesheim und Aesch zugeführt und bereitgestellt worden waren. Mit an Bord war unter anderem der BLT-Verwaltungsratspräsident und Regierungsrat Paul Nyffeler.
Umstellungsnacht 28./29. September 1984: Ausbau von provisorischen Weichen und Verschwenkung der Gleise der neuen Doppelspur im Bereich der Haltestelle Hüslimatt, alles unter Beobachtung von zahlreichen Schaulustigen.
© Dominik Madörin, CH-Ettingen (Bild-Nr. -)
Tramlinie 17, «gelber Betrieb» vom 29.09. bis 31.12.1984. Für den Trambetrieb standen dem Depot Hüslimatt 26 Be 4/6-Gelenkwagen und acht Grossraum-Anhängewagen der BVB zur Verfügung. Letztere bildeten den Ausgleich zu den zehn Be 4/6, welche vorübergehend den BVB für den Einsatz auf der Linie 14 abgetreten worden waren.
Fazit
Der erste fahrplanmässige Kurs verliess am 29. September 1984 um 04:56 Uhr mit kleiner Verspätung das Depot Hüslimatt – der erste Betriebstag der Linie 17 mit Tram-Rollmaterial hatte erfolgreich begonnen! Für den Trambetrieb standen anfänglich 26 Be 4/6-Gelenkwagen und acht grüne Grossraum-Anhängewagen der BVB (B 1416–1423) zur Verfügung. Letztere bildeten den Ausgleich zu den zehn eigenen Be 4/6, welche seinerzeit vorübergehend den BVB für den Einsatz auf der Linie 14 abgetreten worden waren.
Im Frühjahr 1985 fährt ein Dreiwagenzug mit BVB-Grossraum-Anhängewagen am Depot Hüslimatt vorbei. Starke Frequenzzunahmen erforderten nicht nur während Spitzenzeiten den Einsatz solch langer Züge.
© Dominik Madörin, CH-Ettingen (Bild-Nr. 7.1276)
Mit der Umstellung und Modernisierung der Linie 17 wurde das konsequent verfolgte Ziel der Förderung des öffentlichen Verkehrs nicht nur propagiert, sondern in vergleichsweise kurzer Zeit auch in die Tat umgesetzt. Die Fahrgäste zeigten Freude an den neuen Fahrzeugen, den kürzeren Fahrzeiten und am attraktiveren Fahrplan, was sich bald an ausserordentlichen Frequenzsteigerungen ablesen liess. Das im Frühjahr 1984 lancierte, staatlich subventionierte Umweltschutzabonnement «U-Abo» trug sein Übriges dazu bei. Ein Wermutstropfen bildete die noch unverwirklichte Weiterführung der Linie ins Stadtzentrum.
Es wäre weitaus einfacher und kostengünstiger gewesen, bis zur abschliessenden Klärung der Einführungsfrage zunächst nur den hinteren Streckenabschnitt auf Tramrollmaterial umzustellen und die blauen Pendelzüge fürs Erste weiterzubetreiben. Die schliesslich gewählte Lösung mit durchgehendem Trambetrieb bis zur Heuwaage kann nicht genügend gewürdigt werden. Trotz aller Rückschläge schienen bei Politik, Ämtern und Verkehrsbetrieben immer das Wohl und die Bedürfnisse der zahlenden Kunden im Vordergrund gestanden zu haben. Genauso stellen der Doppelspurausbau unter Betrieb und die Betriebsumstellung in lediglich einer Nacht ausserordentliche Leistungen dar, welche heute trotz technologischen Fortschritten unmöglich scheinen. Als Beispiel sei die just zum Zeitpunkt der Ausarbeitung dieses Berichts erfolgte Inbetriebnahme der neu erstellten, knapp 600 m langen Doppelspur Binningen Schloss–Bottmingermühle («Spiesshöfli») aufgeführt, anlässlich dieser man den Fahrgästen drei Wochen Ersatzbetrieb mit Bussen einschliesslich zweimaligem Umsteigen zumutete.
1) Bottmingen, Hüslimatt, Ettingen, Flüh und Rodersdorf. Eine sechste neue Gleichrichterstation entstand in Binningen und war Teil der im November 1983 beschlossenen «Übergangslösung».
2) 11 Fahrzeuge (Be 4/6 231–238 und 244–246) erhielten noch kurz vor der Betriebsumstellung Einrichtungen zum Mitführen von Anhängewagen.
Chronologie
1972: Der Regierungsrat BL unterbreitet dem Landrat ein Kreditgesuch für die generelle Projektierung von Ausbauten der Vorortsstrecken
April 1975: Definitives Abrücken von der Idee eines Hochbahn-Systems im Leimental
Frühjahr 1976: Vorstellung des Konzepts «Grünes Licht für den öffentlichen Verkehrs» durch den Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft
02.05.1977: Genehmigung des Generellen Projekts «Ausbau Linie 17» durch den Landrat BL; Führung Linie 17 via Margarethenstich–Bahnhof SBB in die Innenstadt sowie Aufhebung Linie 7
1978: Projekt Tunnel Binningen; Verknüpfung der Linien 7 und 17 in der Binninger Hauptstrasse
05.05.1980: Der Landrat BL beschliesst die Ergänzung des Generellen Projekts durch die Tunnelvariante
01.09.1980: Genehmigung des Bau- und Investitionskredits für den Ausbau des Abschnitts Bottmingen–Rodersdorf in Höhe von 50,3 Mio. Franken durch den Landrat BL
30.11.1980: Ablehnung des Referendums gegen den Kreditbeschluss vom 1. September 1980
27.09.1981: Ablehnung der Mehrkostenbeteiligung am Tunnel durch die Binninger Stimmberechtigten
1982: Ausarbeitung eines modifizierten Tunnelprojekts; Verknüpfung der Linien 7 und 17 in Binningen und zweite Linie Leimental–Heuwaage–Innenstadt
01.01.1983: Im Rahmen einer neuen Vereinbarung über die BVB und BLT verpflichtet sich der Kanton Basel-Stadt, die Voraussetzungen für die Einführung der Linie 17 in die Innenstadt zu schaffen
16.06.1983: Genehmigung des Kredits für bauliche Massnahmen zur Ermöglichung der Inbetriebnahme des neuen Rollmaterials im Sinne einer Übergangslösung sowie eines Projektierungskredits für die Einführung der Linie 17 durch den Grossen Rat BS
07.11.1983: Landratsbeschluss für bauliche Massnahmen zwischen Bottmingen und Heuwaage zur Ermöglichung der Inbetriebnahme des neuen Rollmaterials
30.04.1984: Genehmigung eines Zusatzkredits in Höhe von 400’000 Franken für den Einsatz von Dreifachtraktionen durch den Landrat BL
28./29.09.1984: Umstellung vom Bahnbetrieb mit Zweirichtungsfahrzeugen auf Strassenbahn-Einrichtungswagen
Zuletzt aktualisiert am 24. November 2024 von Dominik Madörin
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