Restaurant-Motorwagen 400 mit Anhängewagen 371 am 22. August 1993 auf dem Birsigviadukt. Wenige Wochen nach dieser Aufnahme und lediglich acht Jahre nach Abschluss der Restaurierung wich der schwere dunkelgrüne Anstrich einem leichteren Hellgrün.
© Dominik Madörin, CH-Ettingen (Bild-Nr. 76.102)
Nach seinem Ausscheiden aus dem Fahrzeugbestand der Basler Verkehrs-Betriebe (BVB) wurde der schwere Vierachs-Motorwagen Be 4/4 400 «Dante Schuggi» Ende 1972 dem Tramclub Basel (TCB) als Geschenk überlassen. Das legendäre Fahrzeuge sollte einmal Prunkstück einer Fahrzeugsammlung in einem Basler Tram-Museum sein, dessen Schaffung der junge Verein anstrebte.
Von 1968 an konnte der im selben Jahr gegründete TCB im Depot Arlesheim der Birseckbahn AG zwei Standplätze für historische Fahrzeuge mieten. Weiteren Wagen konnte dort aus Platzmangel und der bevorstehenden Ablieferung neuer Gelenkwagen für die Linie 10 kein Unterschlupf geboten werden. Der Be 4/4 400 musste daher – wie andere historische Fahrzeuge auch – in der nicht überdachten Abstellanlage Eglisee deponiert werden, wo er Wind, Wetter und Vandalen ausgesetzt war. Eine von den BVB empfohlene Abdeckung der Fahrzeuge mit Planen schadete mehr, als sie der Verrottung Einhalt gebot.
Der Verein arbeitete jedoch unermüdlich daran, einen überdachten Standort für seine Oldtimer zu finden und Räumlichkeiten für ein Museum zu schaffen. Zahlreiche Alternativen wurden geprüft, doch es fand sich keine zufriedenstellende Möglichkeit. 1979 erklärte sich die Direktion der BVB mit der Überdachung der Gleise im Eglisee einverstanden. Diese Variante bot sich als die am schnellsten realisierbare Lösung an. Vorgesehen war eine provisorische Halle in Stahlrohr-Konstruktion mit Onduline®-Wellplatten für Dach und Wände. Die vorwiegend durch Spendengelder finanzierte Halle konnte im Sommer 1982 in Fronarbeit errichtet werden.
Anlässlich der parallel zur Herbstmesse 1982 stattfindenden Eisenbahnfachmesse und -publikumsschau «Eisenbahn 82» war das Berner Speisewagentram zu Gast in Basel. Die Idee, diesen speziellen Tramzug einzusetzen, galt als originell, nachdem in Basel an einer vergleichbaren Ausstellung 1978 schon je ein moderner Tramzug aus Zürich, Bern und der Baselland Transport AG (BLT) auf der damaligen Ringlinie 1/4 präsentiert worden war. Täglich zwischen 13:30 und 18:30 Uhr verkehrte der Restaurant-Tramzug aus der Bundesstadt, bestehend aus dem historischen Be 4/4 147 mit B 312, im Halbstundentakt. Die Route führte von der Mustermesse durch die Innenstadt zum Bahnhof SBB und über die Wettsteinbrücke zurück ins Kleinbasel. An Bord wurden Getränke und kleine Speisen angeboten. Viele Besucher waren bereit, den Fünfliber (Kinder bezahlten den halben Preis) zu bezahlen, um eine Rundfahrt zu geniessen. Die Aktion wurde zum vollen Erfolg!
Das Berner Wagon-Restaurant verlässt an diesem sonnigen Herbstmessetag die Haltestelle Mustermesse in Richtung Claraplatz. Der Gast aus der Bundesstadt war ausschlaggebend für die Wiederinbetriebnahme der «Dante Schuggi».
© Sammlung Dominik Madörin, CH-Ettingen (Bild-Nr. -)
Dante Schuggi wird Restaurant-Drämmli
Der grosse Erfolg des Berner Wagon-Restaurants hinterliess bleibenden Eindruck. Selbst in den oberen Etagen des BVB-Verwaltungsgebäudes erkannte man, dass ein solches Angebot auch die Stadt am Rheinknie bereichern würde. Fehlte nur noch ein geeignetes Fahrzeug. Ein alter Zweiachser war zu klein, ein Grossraum-Motorwagen aus dem Jahre 1948 erschien zu wenig nostalgisch. Schliesslich erinnerte sich die historischen Fahrzeugen gegenüber grundsätzlich ablehnend eingestellte BVB-Direktion daran, dass 1914 ein Vierachser erbaut worden war, der sich für diesen Zweck hervorragend eignen könnte: die «Dante Schuggi». Gottlob entging diese dem Abbruch!
Am 17. August 1983 wurde der Be 4/4 400 aus dem Eglisee-Hallenprovisorium geholt und mit einem anderen Motorwagen in die BVB-Hauptwerkstätte Klybeck geschleppt. Dort untersuchten Fachleute, ob es sich lohne, das alte Fahrzeug in ein Restauranttram umzubauen. Der erste Bericht aus der «Klybeck-Klinik» gab Anlass zur Hoffnung. Die beiden Drehgestelle mitsamt den Motoren schienen noch relativ gut erhalten. Der hölzerne Wagenkasten hatte jedoch aufgrund der langen Remisierungszeit im Freien deutlich gelitten und versprach erheblichen Arbeitsaufwand.
Beginn der Restaurierung im April 1984: Die Holzteile des Wagenkastens mussten weitgehend ersetzt werden. Lediglich das Dach liess sich erhalten.
© Sammlung Dominik Madörin, CH-Ettingen (Bild-Nr. 76.298)
In den frühen Morgenstunden des 9. Septembers 1983 klärten die BVB ab, ob der Motorwagen überhaupt wieder auf dem Basler Schienennetz eingesetzt werden könnte. Zwischen Mitternacht und vier Uhr morgens durchgeführte Messfahrten ergaben, dass Minimalabstände eingehalten und keine Vorschriften des Bundesamtes für Verkehr verletzt wurden. Begegnungsverbote waren daher keine zu erlassen.
In seiner Sitzung vom 18. November 1983 beschloss der Verwaltungsrat der BVB, den Motorwagen in ein fahrendes Restaurant umzubauen. Die Kosten dafür wollten die BVB allerdings nicht alleine tragen. Ein wesentlicher Anteil der erforderlichen finanziellen Mittel war daher von privater Seite sowie von Industrie und Gewerbe aufzubringen. Weitere Mittel sollten aus einem Stadtfest generiert werden. Unterstützung bekam das Vorhaben auch von politischer Seite. Mit einem Vorstoss wollte Grossrat Jacques Simon wissen, ob die BVB die Einführung eines Basler Restaurant-Drämmlis realisieren könne. In der Beantwortung der Kleinen Anfrage bestätigte der Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt am 28. März 1984 die Umsetzbarkeit des Vorhabens.
Unter der Auflage, dass der Wagen soweit wie möglich originalgetreu restauriert werde, stimmte der Tramclub Basel der Rückgabe der «Dante Schuggi» an die BVB zu. Aus finanziellen Überlegungen kam ein Rückbau zum Zweirichtungswagen im Ablieferungszustand von 1914 allerdings nicht in Frage. Lediglich eine Restaurierung auf den Stand von 1956 lag im Bereich des Machbaren. Unter diesem Aspekt gab der Verein auch sein Einverständnis, das Fahrzeug nach Bedarf mit einem werbewirksamen und nostalgischen Phantasie-Anstrich zu versehen.
Gediegener Innenausbau – eine Meisterleistung der BVB-Schreiner! Ansicht gegen das Wagenheck mit Stammtisch und Rundbank (Zustand 2017).
© Dominik Madörin, CH-Ettingen (Bild-Nr. D8B_3819)
Am 13. April 1984 begannen die BVB-Handwerker in der Hauptwerkstätte Klybeck mit den Restaurierungsarbeiten. Zuerst mussten sämtliche Verblechungen entfernt werden, so dass nur noch das Wagenkasten-Gerippe übrig blieb. Nun konnten alle beschädigten, morschen oder verfaulten Holzteile ersetzt werden. Die Verblechung wurde aus Aluminium neu angefertigt. Parallel dazu wurden die Drehgestelle revidiert, elektrische und pneumatische Komponenten aufgearbeitet sowie die Verkabelung ersetzt.
Ein eigens zugezogener Innenarchitekt beschäftigte sich mit dem Intérieur. Welche Möblierung die «Dante Schuggi» als Restaurant-Tram bekommen sollte, wurde anhand eines Modells abgeklärt. Im hinteren Teil war ein Stammtisch mit Rundbank vorgesehen. Beide Fahrgasträume erhielten anstelle der Stahlrohrstühle von 1956 Holzsitze in vis-à-vis-Anordnung, ergänzt mit Tischen und Wandleuchten. Auf der Mittelplattform gegenüber der Türe fanden Kühleinrichtungen, Spülbecken, Anrichte mit Bier-Zapfhahn usw. Platz.
Im März 1985 waren die Arbeiten schon weit fortgeschritten. «Dante Schuggi» im neuen dunkelgrünen Kleid in der Revisionshalle der Hauptwerkstätte Klybeck.
© Sammlung Dominik Madörin, CH-Ettingen (Bild-Nr. 76.300)
Nach Fertigstellung des Wagens stand am 13. Juni 1985 eine erste Probefahrt nach Riehen auf dem Programm. Nach einigen Anpassungs- und Einstellarbeiten folgten weitere Testfahrten nach Pratteln. Mit Leichtigkeit soll die alte Dame auf der Überlandstrecke in den Basler Vorort 55 km/h erreicht haben. Auch die zulassungsrelevanten Bremswegmessungen verliefen erfolgreich, so dass am 28. August 1985 die Abnahme durch das Bundesamt für Verkehr stattfinden konnte. Wie nicht anders erwartet, traf kurz darauf die Betriebsbewilligung ein.
Am 23. September 1985 stellten die BVB das wieder auferstandene Fahrzeug im Rahmen einer Pressekonferenz der Öffentlichkeit vor. Drei Tage später verliess die «Dante Schuggi» auch offiziell die Hauptwerkstätte Klybeck, nachdem sie sich dort 772 Tage lang aufgehalten hatte. An 515 Tagen waren die Handwerker mit ihr beschäftigt.
Erweiterung des Platzangebots
Um das Platzangebot der «Dante Schuggi» zu erweitern war vorgesehen, ebenfalls einen Anhängewagen zu restaurieren und für den Restaurationsbetrieb herzurichten.
Der eigentlich bestens zum Mitteleinstiegs-Motorwagen passende Anhänger B 1400 war leider bereits 1967 in einer voreiligen Aktion verschrottet worden. Ursprünglich dachte man daher an einen Umbau des für den normalen Betrieb nicht mehr benötigten B3 1330. Da die Aufarbeitung der «Dante Schuggi» die 500’000-Franken-Schallmauer schon lange durchbrochen hatte, musste dieses zusätzliche Vorhaben allerdings zurückgestellt und eine kostengünstigere Variante gesucht werden. Die Wahl fiel schliesslich auf den C 371. Dieser im gleichen Zeitraum wie die «Dante Schuggi» erbaute und zwischen 1982 und 1984 restaurierte Zweiachs-Anhängewagen musste lediglich mit neuen Bänken, Tischen und einer Theke versehen werden.
Bis 1993 ergänzte der C 371 den Ce 4/4 400 bei dessen Einsätzen als Restaurant-Tram. Von da an kam der wieder in Betrieb genommene und mit seinem Mitteleinstieg besser zur «Dante Schuggi» passende C3 702 zum Einsatz.
Der angepasste Anhängewagen Nr. 371 ergänzte bis 1993 die «Dante Schuggi». Auf diesem Bild vom 30. Juli 1994 präsentiert sich diese bereits im hellgrünen Kleid und der neuen Wagennummer 450.
© Dominik Madörin, CH-Ettingen (Bild-Nr. 26.23)
Die alte Dame kehrt zurück!
Mit einem grossen Volksfest auf dem Barfüsserplatz und dem Theaterplatz feierten die BVB am Wochenende vom 27. bis 29. September 1985 ihr 90jähriges Bestehen. Höhepunkt des Festes bildete die Taufe und offizielle Inbetriebnahme der guten alten Dame, verbunden mit einem Taufakt. Vom ausgesprochen milden Herbstwetter profitierend besuchten Tausende von Festlustigen den Anlass. 140’000 Franken Reinerlös, so lautete die erfreuliche Bilanz. Zusammen mit Einnahmen für Werbeflächen an und im Fahrzeug in Höhe von 180’000 Franken und dem Anteil der BVB konnten die Kosten für die Aufarbeitung und Wiederinbetriebnahme der «Dante Schuggi» gedeckt werden.
Nach der feierlichen Inbetriebnahme wurde die «Dante Schuggi» Flaggschiff der BVB und das begehrteste Drämmli für Sonderfahrten überhaupt. 1992 stand der Kilometerzähler bereits auf 62’075! Zeitweise war der Wagen für Monate ausgebucht und die BVB erlebten einen eigentlichen Extrafahrten-Boom. Für das Publikum wurden jeweils am letzten Wochenende des Monats öffentliche Stadtrundfahrten angeboten. Die Bewirtung übernahm anfänglich die Basler Personenschiffahrts-Gesellschaft (BPG).
Lange Jahre beliebt: Öffentliche Stadtrundfahrten mit Bewirtung. Aufenthalt der «Dante Schuggi» mit «ihrem» Anhänger 371 am 1. Juli 1989 in der Rosental Schlaufe.
© Sammlung Dominik Madörin, CH-Ettingen (Bild-Nr. 76.51)
Zuletzt aktualisiert am 8. Januar 2025 von Dominik Madörin
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