Diese Aussage hört man oft von älteren Kollegen. Aber trifft sie wirklich zu? In vielen Bereichen sicher nicht! Sicher herrschte früher etwas mehr Kollegialität; der Kontakt untereinander war grösser, auch mit den Vorgesetzten. Es war auch üblich, dass sich alle Uniformträger (Polizei, Feuerwehr, Sanität, Pöstler) duzten und freundlich grüssten. Generell sind heute alle mehr distanziert, jeder schaut erst mal für sich.

Sonst sind viele Arbeitsbedingungen ähnlich wie früher. Wie in jedem Schichtbetrieb ist die Dienststruktur seit vielen Jahren eine immerwährende «unendliche Geschichte»!

Arbeitsplatz Tram

Kein Vergleich sind aber die Arbeitsbedingungen im Führerstand gegenüber früheren Zeiten. Die Fahrzeuge älterer Generationen funktionierten rein mechanisch. Eine Notbremsung musste in einer bestimmten Reihenfolge (Elektrische Bremse, Schienenbremse, Luftbremse, dazu Sanden) eingeleitet werden. Man hatte also buchstäblich alle Hände voll zu tun; das Resultat war dann auch mehr zufällig. Ob Schrottplatz oder Werkstatt lag oft in der Geschicklichkeit des Drämmlers. Heute zieht der Fahrer einfach den Hebel nach hinten.

Führerstand eines Schindler-Be 4/4 im Ursprungszustand, ausgelegt für sitzende oder stehende Bedienung.
© BVB (Sammlung Dominik Madörin, CH-Ettingen)

Ergonomie war ein absolutes Fremdwort, der Körper passte sich zwangsläufig den Umständen an. Die Sitze würden heute in einem Folter-Museum keine schlechte Falle machen. Ein Heizungsschalter mit mehr als Ein-Aus-Stellung war schon Luxus! Klimaanlagen gibt es noch nicht lange. Was aber noch in guter Erinnerung ist: Die vordere Frontscheibe konnte ausgestellt werden und sorgte für eine sehr gute Lüftung. Noch heute kann eine Klimaanlage eine gute Fensterlüftung nicht wirklich ersetzen. Dennoch war ein heisser Sommertag oftmals wirklich mühsam. Bei den Schindler-Be 4/4 befanden sich unter dem Handrad des Fahrschalters die Walzen. Je nach Fahrstil wurden diese recht heiss! Oder der DÜWAG mit seinen schwarzen Armaturen. Bei Sonneneinstrahlung mussten sie mit Lappen abgedeckt werden, um sich nicht zu verbrennen.

Endzielanzeigen

Vor der Endhaltestelle musste die Front-Anzeige auf die nächste Runde umgestellt werden. Das ist heute noch so bei den älteren Trams. Wer es vergass, der wurde vom entgegenkommenden Kollegen durch «Luftkurbeln» daran erinnert. Oder von Fahrgästen, die mit ernster Miene die falsche Richtung anzeigten, wie wenn ihnen so etwas nie passieren könnte.

Früher musste man auch die Seitenanzeigen selber umstellen. Speziell verhasst: Linie 15/16 auf dem Bruderholz! Vor dem ohnehin oft knappen Aufenthalt zuerst alle acht Schilder wechseln. Was für eine Erleichterung, als dieses Prozedere wegfiel!

Be 4/4 464 mit B 1422 an einem kalten Januartag 1987 auf dem Bruderholz. Bei den Wagenführern speziell verhasst: Beim Linienwechsel vor dem ohnehin oft knappen Aufenthalt zuerst alle acht Schilder wechseln.
© Dominik Madörin, CH-Ettingen (Bild-Nr. 3.18)

Leitstelle/Elekronik

Die Leitstelle, eine echte Erleichterung! Es gab mehrere Versionen bis zur heutigen Ausführung. Zuerst wurde eine zu grosse Überwachung befürchtet, weil auch die Fahrzeit kontrolliert werden konnte. Es gab doch einige Kollegen, für die war die vorgegebene Fahrzeit nicht wirklich massgebend. Drei bis vier Minuten zu früh unterwegs zu sein, war normal. Man wollte an der Endstation ja gemütlich rauchen. Das nächste Tram war dann in der Bredouille, hatte die Kiste voll und ergo auch Verspätung. Diese sogenannten Frühfahrten konnten mithilfe der Leitstelle mit der Zeit verhindert werden.

Die heutige Elektronik steuert auch die Anzeigen und Ansagen im Tram. Diese automatischen Fahrgast-Ansagen waren übrigens ganz am Anfang auf Baseldeutsch mit allen Umsteigern, bald wurde auf Hochdeutsch umgestellt. Aufgrund vieler aus dem Ausland stammenden Kollegen werden heute auch die Ansagen an das Fahrpersonal auf Hochdeutsch gesprochen. Was oft sehr lustig daher kommt, für viele ist das eben schon eine richtige Fremdsprache. Die Kollegen muss ich aber in Schutz nehmen. Jeder weiss, dass im Chaos und im Stress dies gar nicht so leicht ist!

Eine grosse Erleichterung brachte anno 1980 die Einführung des Betriebsfunks mitsamt rechnergestützter Betriebsleitstelle bei den BVB. Im Bild die Betriebsleitstelle der BLT beim Depot Hüslimatt (Aufnahme vom 15. Mai 2017).
© Dominik Madörin, CH-Ettingen (Bild-Nr. D8B_1647)

Fahrtenschreiber, Tacho

Der Fahrtenschreiber war damals analog/mechanisch. Die laut tickende Uhr war unser ständiger Begleiter. Heute haben wir dafür den Totmann (Wachsamkeitskontrolle), der ständig piepst und quittiert werden möchte. Folgende Situation kennen alle Wagenführer: Man fährt langsam an einer laut lärmenden Baustelle vorbei, grüsst freundlich die zur Seite gewichenen Arbeiter. Dann, zack, steht die Kiste, weil man im Lärm den Totmann nicht gehört hat. An der nächsten Haltestelle: Schräge Blicke der Fahrgäste und Kopfschütteln.

Pannen

Bei den neuen Fahrzeugen ist alles elektronisch und bei Pannen kann der Fahrer nicht mehr viel machen. Bestand früher immer die Gefahr, dass ein Fahrzeug nicht genügend gesichert wurde und führerlos davon rollte, ist dies heute praktisch nicht mehr möglich. Eine Pannenbehebung im Gefälle wie am Kohlenberg war immer etwas der Horror! Andererseits konnte man die älteren Trams fast immer irgendwie noch fortbewegen. COMBINOs oder FLEXITYs bleiben da viel sturer stehen, wenn es die Elektronik so will. Und das am allerliebsten mitten auf einer Kreuzung oder einem Knotenpunkt.

An- und Abhängen

Mit den neuen Fahrzeugen wird auch nicht mehr an- und abgehängt. Früher gab es die typischen Spitzenzeiten, also Arbeitsbeginn, Mittag und Abendspitze. So wurde eine kurze Zeit versucht, in den weniger frequentierten Zeiten einen Wagen abzuhängen. Bei Doppeltraktion der vorderen Wagen, bei den sogenannten Dreiwagenzügen der vordere Cornichon. Also alles zusammenpacken und in den hinteren Wagen einsteigen. Und meist eine Runde später stand dann wieder ein Wagen vor dem Depot, an den man kuppelte und wieder den Führerstand wechselte. Im Spätdienst dann dasselbe: Das vordere Fahrzeug ins Depot. Und dann stieg man dann oft um in ein völlig verstaubtes Fahrzeug, weil da die Fenster offen waren und der ganze Dreck vom Dach des vorderen Motorwagens hineingeweht worden war. Relativ schnell kam man von dieser sehr ineffizienten Betriebsform wieder ab.

Mit den Depots war das früher auch so eine Sache: Defektmeldungen übergab man meist dem nächsten Verantwortlichen, mit dem Resultat, dass man eher auf eine «Selbstheilung» hoffte. Beispiel: Der DÜWAG 623 bremste katastrophal. Er überbremste und die Fahrgäste schlossen unfreiwillig nach vorne auf. Mehrere Rapporte brachten nicht viel, nur giftige Bemerkungen des Depotschefs gegen mich. Dann vernahm ich die Ursache durch die Hintertür: Bei der Revision in der Hauptwerkstätte wurde das hintere und vordere Drehgestell verwechselt und verkehrt herum eingebaut! Dass einige Anschlüsse keine Fortsetzung mehr hatten, war offensichtlich egal. Hauptsache, das Ding fuhr irgendwie!

DÜWAG-Be 4/6 623 im Juli 1983 als Alleinfahrer auf der Linie 18 beim Fischmarktbrunnen. Ob die Drehgestelle zu diesem Zeitpunkt richtig untergesetzt waren?
© Sammlung Dominik Madörin, CH-Ettingen (Bild-Nr. 5.1099)

Als ich mal einen 3er übernahm, herrschte Dauerregen, und der Scheibenwischer schmierte, weil die Gummilippe am Blatt weg war. So funkte ich mit dem Wunsch um Behebung und ein neues Wischerblatt. Nun kam da einer mit einem Kübel und wusch die Scheibe. Nach stundenlangem Dauerregen! Nun bekam ich Flöhe, schrieb einen Rapport und erwähnte, dass man neue Wischerblätter auch vom Lohn abziehen könnte, meine Augen seien mir wichtiger. Nun war aber etwas los. Es kam heraus, dass die Leitung des Depots Allschwilerstrasse seit Jahren nichts eingekauft hatte. Man wollte besser dastehen als die anderen Depots! Das gab einen rechten Rüffel und mir wiederum einige giftige Blicke.

Aber ansonsten war es schon noch eine andere Beziehung zum Depot-Personal als heute. Viel kollegialer, man hatte auch viel mehr miteinander zu tun. Da die Trams früher auch kaum bis um 1 Uhr morgens fuhren, nahm man oft noch einen Schlummertrunk zusammen. Bekannt waren einige Kollegen im Depot Dreispitz, die nach dem Einstellen noch zusammenhockten und jassten, und oft noch die eintreffenden Frühdienstler begrüssten!

Depot Allschwilerstrasse: Sparpotenzial bei Scheibenwischerblättern erkannt? (Be 4/6 605 mit Be 4/6 603, 25. Mai 1990).
© Dominik Madörin, CH-Ettingen (Bild-Nr. 91.6.2)

Weichen

Oft wird gefragt, wie das Umstellen einer Weiche funktioniert. Heute ist das recht einfach und sicher: Mittels Antennen an Fahrdraht und Stromabnehmer wird der Stellbefehl erteilt. In Basel macht das immer noch der Fahrer, in den meisten anderen Städten geht das automatisch durch verschiedene Frequenzen. Der Grund soll sein, dass wir oft viele Umleitungen und Anlässe haben. Es ist auch so, dass der Fahrer trotzdem die Verantwortung über die korrekte Lage der Weiche hat. Signale oben an der Fahrleitung zeigen an, ob die Weiche wirklich anliegt und nichts zwischen den Weichenzungen ist. Sonst droht eine Entgleisung, eine der grösseren und teureren Schäden, die entstehen können.

Spektakulär ein Unfall beim Morgartenring: Ein Tram stand in der Haltestelle, der Gegenkurs übersah die in das Depot stehende Weiche und drückte den Anhänger weg. Der drohte zu kippen und musste dann gestützt werden. Kurios: Der falsch abgezweigte Motorwagen entgleiste, aber er gleiste sich auf dem Gegengleis gleich von selbst wieder ein! So hatten wir ein Tram, das in der falschen Richtung stand. Zum Glück konnte das am Brausebad auf dem dortigen Verbindungsgleis wieder in die richtige Richtung gebracht werden. Nicht weniger massiv der Unfall des SIG-Gelenkwagens, der wegen einer falsch gestellter Weiche am Claraplatz umkippte.

Besagter Unfall vom 20. April 1989 beim Morgartenring: Der Be 4/4 480 steht auf dem Gegengleis. Im Hintergrund der gerammte, knapp vor dem Umstürzen bewahrte B 1456 des Gegenkurses.
© Sammlung Dominik Madörin, CH-Ettingen (Bild-Nr. 10.916)

Ich kenne Kollegen, die zur Bahn wechselten und als ehemalige Drämmler am gewöhnungsbedürftigsten fanden, mit hoher Geschwindigkeit durch einen Bahnhof über die Weichen zu donnern und sich nur auf das Stellwerk zu verlassen!

Heute sind die Weichen gesichert und können nicht gestellt werden, wenn sich ein Tram darauf befindet. Diese neue Technik hatte aber auch Anfangsschwierigkeiten: Es gab Phasen, wo sich Weichen selbst stellten oder die Signale oben in die falsche Richtung zeigten, was lange von den Vorgesetzten nicht geglaubt wurde.

Früher war das schon heikel. Erstens stellte man die Weiche mit dem Fahrstrom. Man musste also gleichzeitig bremsen und «Gas» geben. Und das nur in ganz kurzer Distanz zur Weiche. Zweitens war die Weiche nicht gesichert. Auch war nur an den Weichenzungen ersichtlich, ob diese anliegen. So konnte man dem Vorkurs die Weiche «unter dem Arsch» stellen, das heisst, der hintere Teil des Anhängers wollte woanders hin als der vordere Teil. Das war nicht im Sinne des Erfinders und endete meist als teures Experiment. Lustig auch dieser Vorfall: Einem als etwas unsensiblen bekannten Wagenführer entgleiste der Anhänger an der Dreirosenbrücke. Er brachte es fertig und schleifte ihn halb quer auf dem Gegengleis fast bis ins Depot Wiesenplatz!

Vandalismus

Ein weiterer Segen sind die Videoüberwachungskameras in allen Fahrzeugen. Man glaubt nicht, was da oft alles kaputt gemacht wurde. Sitze wurden regelmässig aufgeschlitzt, mit dem Feuerzeug angekokelt oder mit dicken Markerstiften verschmiert.

Manchmal fehlten ganze Sitzpolster. Einmal ging ein Mann mit Stangen vorbei, die mir irgendwie bekannt vorkamen. An der Endhaltestelle dann tatsächlich: Der hatte ein paar Haltestangen einfach abmontiert. Seit den Kameras ist der Vandalismus sicher um über 90 Prozent zurückgegangen! Auch das missbräuchliche Betätigen der Notbremse ist fast verschwunden.

Zuletzt aktualisiert am 21. November 2023 von Dominik Madörin