Arbeitsbeginn und -ende sind im Fahrdienst recht speziell. In den Depots ist das noch wie an einem anderen Arbeitsplatz, auf der Strecke jedoch ganz anders. Oft beginnt man an einem anderen Ort als dort, wo man später die Ablösung erwartet. Wenn diese dann auch da ist! Heute ist das klar in einem elektronischen Gerät (Tablet, Handy) ersichtlich. Früher mussten die Informationen aus in den Depots aufliegenden Mäppchen abgeschrieben werden.

Nun gab es aber nicht nur die verschiedenen Dienste «Werktag», «Samstag» und «Sonntag». Hinzu kamen Baustellenpläne, Tage vor Feiertagen usw. – eine Fehlerquelle sondergleichen! Und auf diesen Dienstplänen eine Linie zu verrutschen bedeutete, man steht irgendwo auf einer Haltestelle, wo man nicht erwartet wird – und fehlte natürlich (ausser man hatte Glück und noch genügend Zeit) am richtigen Ablösesort. Oberpeinlich ist, wenn man auf sein Tram wartet, das kommt dann, aber der Fahrer will gar keinen Feierabend. Währenddessen auf der gegenüberliegenden Seite einer denkt: «Scheisse, keiner da, ich warte noch etwas», dann aber trotzdem weiterfahren muss. So fängt man eine Verspätung ein, weil man schlicht auf der falschen Seite gewartet hat. Beliebt waren auch jene Kollegen, die praktisch immer auf die letzte Sekunde kamen, und man schon auf Nadeln sitzend befürchtete, dass es etwas später Feierabend oder Pause gab.

Einmal wollte ich einen Kollegen ablösen, nur: Da stand schon einer und wollte dasselbe tun! Das musste dann die Leitstelle klären. Der dortige Kollege erklärte mir dann (nicht ohne einen gewissen schadenfreudigen Unterton), dass ich eigentlich Ferien hätte! Ich hatte diese verschoben, aber nicht in die Agenda eingetragen…

Eine Wissenschaft für sich: Sonntags-Dienstplan ab Juli 1997, Depot Dreispitz.
© BVB (Sammlung Dominik Madörin, CH-Ettingen)

Eigengoal

Natürlich passieren auch uns immer wieder mal Fehler! Und natürlich ist es immer peinlich, selbst einen Unfall verursacht zu haben. Am allerpeinlichsten sind aber Kollisionen mit eigenen Fahrzeugen! Das wird dann ganz spezifisch als «Eigengoal» bezeichnet. Klassisch waren Auffahrunfälle. Ursache: Meist nicht angepasste Geschwindigkeit, oft in Schlaufenanlagen. Wie auf der Strasse gibt es auch da nichts an der Schuldfrage zu rütteln.

So stand ich einmal am Barfüsserplatz. Ich hatte Mühe, das Tram zum Stehen zu bringen, denn um das lästige Kreischen etwas zu eliminieren, wurde früher mit einem Besen Fett in die Schienen geschmiert! Dieses kam aber auch auf den Schienenkopf und machte dann eben das, für was Fett vorgesehen ist: Schmieren! Plötzlich hörte ich es von hinten bimmeln und sah im Rückspiegel ein Tram einfahren. Dessen Wagenführer versuchte unter Einsatz von Schienenbremse und Sand eine Auffahrkollision zu vermeiden. Ich versuchte, möglichst noch wegfahren zu können, mit offenen Türen geht das aber nicht. Und schon spürte ich einen sanften Ruck. Der hintere Puffer war hinüber, aber sonst kein grosser Schaden. Das hiess dann: Rapport schreiben!

Der falsche Führerstand

An der Endstation Riehen Grenze fuhr der Folgekurs ein (da gab es noch schöne Endaufenthalte). Wir plauderten etwas zusammen, dann fuhr ich weg. An der nächsten Haltestelle sah ich jemand in Uniform aussteigen und zurückrennen. Als wir uns wieder trafen, bemerkte er lachend, er sei aus Blödheit in meinen hinteren DÜWAG der Doppeltraktion eingestiegen, und schon sei ich abgefahren. Aber die Notbremse zu ziehen, wäre dann doch unter seiner Würde gewesen.

Schlaufe Riehen Grenze mit DÜWAG-Doppeltraktion im August 1985.
© Sammlung Dominik Madörin, CH-Ettingen (Bild-Nr. 5.2054)

Seitenlage

Am Barfüsserplatz hatten wir einen Raum, in dem wir auch noch Reservedienste abhielten, etwas das es auch in dieser Form nicht mehr gibt. Wir bekamen irgendwie mit, dass es einen grösseren Unfall gegeben hatte. Etwas später kam ein Kollege Namens Albin rein mit der Feststellung: «So ein Mist, jetzt musste ich schon das zweite Mal den Führerstand durch das Seitenfenster verlassen!». Jetzt hatte der tatsächlich eine Kollision mit einem LKW und war auf die Seite gekippt. Offensichtlich konnte dies ihn nicht sehr aus der Fassung bringen!

Match Basel-Zürich

Im Verkehr kommt es immer wieder zu Unterbrüchen, die samstäglichen Kundgebungen sind ja schon fast die Regel. Manchmal hat man Glück und arbeitet bei grösseren Ereignissen nicht. Das Selbsterlebte bleibt dafür umso länger im Gedächtnis haften.

Es war dieser berüchtigte Match im St. Jakob (Joggeli), bei welchem der FC Basel in der letzten Minute ein Goal kassierte und die Meisterschaft verlor. Ich arbeitete freiwillig einen Matchdienst. Schon im Vorfeld wusste man, dass es ein Risikomatch werden würde. So fuhr ich etwas vor Matchende zum Depot raus, um für den Abtransport bereit zu sein. Schon im Zeughaustunnel waren ein riesiges Aufgebot von Polizei und die ersten Schlägereien auszumachen, so dass ich nicht in die Haltestelle St. Jakob einfahren konnte. Das war um 17 Uhr. Wenn ich gewusst hätte, dass ich dort bis 23 Uhr stehen würde, hätte ich Proviant besorgt! So stand ich mit meinem Tram sechs Stunden im Tränengasnebel. Wie im Kino konnte ich beobachten, wie die Chaoten und die Polizei Katz und Maus spielten und hemmungslos alles kurz und klein schlugen. Auch einige Scheiben meines Anhängewagens gingen zu Bruch. Mich liessen sie zum Glück in Ruhe. Weil das Gleis voll mit Steinen war und auch andere Strukturen beschädigt wurden, stellte ich mein ramponiertes Gefährt dann gegen Mitternacht im Depot ein.

Bahnhof Blackout

Es war wiederum ein Matchdienst, der diesen markanten Tag prägte. So fuhr ich gemütlich den Steinenberg rauf, hatte zwei 14er und noch ein anderes Matchtram vor mir und dachte, das gibt eine Leerfahrt bis zur Schänzli-Schlaufe. Aber schon vorher bekam ich mit, dass sich irgendetwas beim Bahnhof SBB ereignete (tatsächlich entgleiste ein ICE bei der Einfahrt und blockierte den Bahnhof vollständig). Dann der Aeschengraben: Unmengen von Menschen auf der Strasse, die kreuz und quer liefen. Und dann der Aeschenplatz: Von wegen Leerfahrt! Buchstäblich tausende Menschen, die den Platz vollstellten. So etwas hatte ich noch nie gesehen! Und alle wollten nach Pratteln, denn die Züge fuhren nur bis dorthin. Der Rest der Strecke nach Basel war gesperrt.

Die Leitstelle liess dann natürlich alle Matchtrams bis Pratteln weiterfahren. Und so ging es mit einem proppenvollen Wagen aufs Land, irgendein Fahrplan war nur noch Makulatur. Dann wenden und jetzt dasselbe: Die Züge fuhren ja nur bis Pratteln, was dort auf der Haltestelle los war, kann sich jeder gut vorstellen. Und natürlich ständige Fragen, vor allem der fremden Fahrgäste. Man muss sich das vorstellen: Man fährt im Zug und weiss genau, wo man umsteigen und den Anschluss nehmen muss. Und dann wird man an einem Provinzbahnhof rausgeworfen und hat keine Ahnung, wo man ist! Der Clou kommt aber erst noch: Inzwischen war der Match beendet und die Fans standen beim Joggeli auf der Haltestelle, aber in keinem einzigen Tram hatte es noch freien Platz. Da steht man dann zehn Minuten mit offenen Türen, weil jeder mit einem Körperteil in der Lichtschranke steht. Da gibt es nur eins: Das Ganze mit Humor nehmen!

Grosser Bahnhof in Saint-Louis

An der Endstation beim Bahnhof in Saint-Louis hatte ich noch ein paar Minuten bis zur Abfahrt. Wie üblich kaum Fahrgäste. Plötzlich strömten hunderte mit Koffern und Trolleys aus der Unterführung. Eine Dame klärte mich auf: «Messieu, s’isch ebbis passiert, es fahrt nyt me no Bâle, s’isch verdeggele nit normaal!». So musste ich in meinem nicht so tollen Französisch immer wieder erklären, wie man nun zum Bahnhof SBB kommen würde. Mit massiver Verspätung ging es endlich los. Die Kollegen im Gegenkurs und die paar Leute auf den Haltestellen schauten etwas belämmert in mein überfülltes Tram, das ja um diese Zeit fast leer ist. Naja, man weiss nie, was der Tag so alles bringt!

Auch am 28. November 2018 ist ausserhalb der Spitzenzeiten beim Gare de Saint-Louis nicht viel los. Wohl nur wenige Fahrgäste werden mit dem Be 6/8 5001 die Reise in Richtung Basel antreten.
© Dominik Madörin, CH-Ettingen (Bild-Nr. 16_1256)

Generalversammlung

Es war ein Spätdienst auf der Linie 14. So gegen 22 Uhr, und ich dachte, das gibt einen gemütlichen Abend. Gemütlich war es, aber nur bis zum Musical Theater. Die ganze Haltestelle voll, ich konnte gar nicht alle mitnehmen. Na denn halt, die zehn Minuten Verspätung gehen ja noch.

Langsam leerte sich dann das Tram und es ging Richtung Land. Als ich die Haltestelle St. Jakob sah, traf mich der Schlag: Gefühlt Abertausende wollten mit mir nach Pratteln! Es war die Credit Suisse, die ihre Generalversammlung in der St. Jakobshalle abhielt. Nun, diese Teilnehmer waren – vornehm ausgedrückt – nicht gerade die flexibelsten, alle um die achtzig Jahre. Da konnte ich mich also gemütlich zurücklehnen und der Dinge harren, beziehungsweise hoffen, dass die Türen auch irgendeinmal schliessen. Der Folgekurs war schon aufgeschlossen, aber, hähä, der kommt auch noch dran! Was noch eindrücklich war: Offenbar waren Zwiebelbrötchen im Angebot, eine Geruchswelle der Sonderklasse waberte durchs ganze Tram! Der Leitstellen-Kollege meinte dann lakonisch, wenn die CS Einsatzkurse nicht für nötig hält, ist das nicht unser Problem.

Fahrschule nach Weil

Bei der Eröffnung der Strecke nach Weil am Rhein war eine Einführung durch die Fahrschule vorgeschrieben. Dann war ich an der Reihe. Mit einem DÜWAG ging es nach Weil. Nun war die Linie 8 gerade unterbrochen, Unfall oder Wagendefekt. So waren wir das einzige Tram in Weil. Dann zurück zum Wiesenplatz, wenden und nochmals nach Weil. Jetzt warteten auf den Haltestellen doch deutlich mehr Fahrgäste auf ihren immer noch ausstehenden 8er und sahen endlich etwas Grünes nahen. Aber dann kommt nur dieser dämliche DÜWAG nochmals vorbei mit etwas grinsenden «gutbezahlten Staatsangestellten», die niemanden einsteigen liessen. Man kann es nachvollziehen: Globales Händeverwerfen und Kopfschütteln.

Fahrschule nach Weil am Rhein am 22. April 2015 mit Be 4/6 642: Ob die Fahrgäste auf der gegenüberliegenden Haltestelle auch so lange auf den 8er warten mussten?
© Dominik Madörin, CH-Ettingen (Bild-Nr. 5_490)

Winter

Berufe hinter einer Windschutzscheibe fand ich immer toll: Im Freien, aber man sitzt trotzdem bequem in einem klimatisierten Raum. Ich konnte oftmals im Cockpit einer ATR 45 (zweimotoriges Turboprop-Mittelstreckenflugzeug) mitfliegen: Draussen minus 50 Grad, unter dir die Erde, traumhaft! Ist im Tram nun schon nicht derart imposant, aber oft auch spannend.

Basel ist ja nicht gerade bekannt für strenge Winter. Oft ist die weisse Pracht nach kurzer Zeit verschwunden. Aber es ist schon sehr speziell, wenn man durch die frisch verschneite Landschaft fährt und – ganz komisch – die Schienen nicht sieht! Und es ist ein extrem lautloses Fahren. Das Problem kommt erst, wenn die Räumfahrzeuge unterwegs sind. Wohin mit all dem Schnee? Unsere Trampflüge schieben ihn rechts auf die Strasse, die mobilen Pflüge auf das Trottoir oder die Traminsel. Oft wurden die Fender zu spät arretiert. Beim ersten grossen Schneehaufen stiess der Taster an, der «Kuhfänger» klappte nach unten, war natürlich sofort mit Schneepflotsch vollgeladen und das Tram stand. Dann Aussteigen und mit dem lächerlichen Weichenbesen den Lattenrost vom Schnee befreien.

Oder die Türen: Oftmals wurden beim Öffnen der Türen die Klapptrittbretter von den Schneehaufen auf den Haltestellen blockiert. Die Fahrgäste waren auch immer so nett, ihre schneebeladenen Schuhe auf dem Trittbrett auszuklopfen. Der schwere Schnee gab dann den Trittbrettkontakt nicht mehr frei und die Türe blieb offen. Bei sehr tiefen Temperaturen wurde dann diese Pflotschmasse steinhart. Dazu froren in den Türkästen die Luftmotoren ein. Drämmler und die Kollegen der Depots waren also schon sehr gefordert.

Die Weichen sind ja geheizt. Dennoch waren diese oft auch ein Problem. Lag dann viel Schnee, kann etwas anderes hinzu: Die überforderten Autofahrer! Natürlich, auf den Schienen ist das kein Problem, da hatten wir es im Gegensatz zu den Chauffeuren leicht. So durfte man immer wieder aussteigen, um einem festgefahrenen Automobilisten zu helfen. Ärgerlich waren indes jene Lenker, die rechts parkierten, aber im Schnee den Randstein (und oft auch die Schienen) nicht sahen und so viel zu nahe am Gleis standen. So dauerte es nicht lange und die frierenden Fahrgäste warteten ewig auf ihr Tram, dafür kamen dann gleich fünf hintereinander um die Ecke!

Bei solchen Chaos war die Leitstelle natürlich auch nicht mehr eine grosse Hilfe. Im Grossen und Ganzen aber nahmen es alle – auch die Fahrgäste – recht gelassen. Man kannte ja das Problem und auf der Strasse war es ja nicht besser. Übrigens hat Schnee und Eis auf der Schiene keinen Einfluss auf die Adhäsion, der Raddruck schmilzt das weg, erst unter minus 10 Grad wird es problematisch. Viel mühsamer ist das Salz, das auf der Schiene mit dem Sand und Dreck eine extrem rutschige Oberfläche bildet.

Eisregen

In Erinnerung bleibt der dreitägige Eisregen von 1978. Ich hatte damals Frühdienst; es fing schon spektakulär an: Beim Depot Allschwilerstrasse (nebenan ist ja das Gleis der Elsässerbahn) sah ich einen Zug vorbeifahren. Das Eis am Fahrdraht erzeugte einen wunderschönen Kometenschweif, die fahren ja mit einer massiv höheren Spannung als wir! Auf der Linie 6 nach Riehen war es aber auch fantastisch. Die Automobilsten hatten die Sonnenblenden unten, so blitzte und funkte es.

Am nächsten Tag setzte der Eisregen erneut ein und der Fahrdraht wurde immer dicker von Eis ummantelt. Wegen eines stehenden Trams in Riehen benutzte ich das äussere, kaum benutzte Schlaufengleis. Für diese 40 Meter brauchte ich tatsächlich 20 Minuten! Der Stromabnehmer musste sich durch das Eis schmelzen; es ging nur meterweise voran. Ein regulärer Betrieb war nicht mehr möglich. Die abrupten Stromschläge verursachten auch massive Motorenschäden bei den Trams.

Am Samstag freute ich mich erneut auf einen spannenden Tag: Vergebens, der Betrieb wurde vollständig eingestellt. Es war etwas vom spektakulärsten: Die Landschaft unglaublich, alles verglast wie im Märchenland. Das Eis war so dick, dass es möglich war, auf der Eisschicht auf dem darunterliegenden Schnee Schlittschuh zu fahren! Jeder Zweig, sogar Gräser hatten eine etwa zwei Zentimeter dicke Eisschicht. Am Sonntag kam die Sonne und beendete diesen Zauber langsam. Unter ständigem Klirren wie bei Millionen zerbrochener Gläser löste sich das Eis. Viele Strassen musste man sperren, da das Eis für die Bäume zu schwer wurde. Ein paar Jahre später gab es wieder einen schwächeren Eisregen. Darauf konstruierte die Werkstätte eine besondere Einrichtung auf einem Anhängewagen, um die Fahrleitung mit Frostschutz zu besprühen.

Sand und Bremsen

Je schwerer ein Fahrzeug, umso bedeutender ist die Adhäsion. Und bei einem Schienenfahrzeug ist Stahl auf Stahl ja nicht so optimal. Wichtig ist der sogenannte Schienenzustand: Einige Faktoren können diesen enorm beeinflussen. Am extremsten ist Laubfall. Kommt noch leichter Regen dazu, wird es sehr rutschig. Da konnte es schon vorkommen, dass man in einer Steigung anfuhr. Der Tacho war schon auf 20 km/h, doch in Wirklichkeit rutschte man langsam mit durchdrehenden Rädern rückwärts! Dann hilft nur noch der Sander, der die Adhäsion wiederherstellt. Der beste Schienenzustand herrscht übrigens bei dichtem Regen.

Blöd war der DÜWAG, der abgeknickte Sanderrohre hatte. Ausgerechnet in der Steigung kam kaum was raus! Nicht selten musste man aussteigen und den Sand von Hand auf die Schiene vor den Rädern löffeln, das sah dann auch irgendwie saublöd aus! Berüchtigt war der innere Ring vom Kannenfeldplatz zum Bahnhof SBB mit seinen Platanen, da verlor man bei Laubfall oft -zig Minuten. Beim Bremsen natürlich dasselbe, immerhin half da noch die magnetische Schienenbremse.

Tram unter Platanen beim Brausebad: Besonders bei Laubfall im Herbst eine grosse Herausforderung (Be 4/4 420 mit B 1492, 9. Oktober 1988).
© Dominik Madörin, CH-Ettingen (Bild-Nr. 1.383)

Bei modernen Fahrzeugen wie dem COMBINO oder dem FLEXITY wird der Sand recht sparsam ausgebracht. Der Vorrat kann nur im Depot aufgefüllt werden. Früher sandete man manuell und in recht grossen Mengen, oft ersichtlich an den markanten Sandhäufchen in den Haltestellen. Beliebt waren jene Kollegen, die der Fahrzeit zuliebe ruppig fuhren, einfach immer mit Sanden, und dann der Ablösung die leeren Sandkisten überliessen. Beim Endaufenthalt durfte man diese dann wieder auffüllen.

Mühsam auch die Schlepperei im Frühdienst um diese Sandkisten aufzufüllen. Man konnte mit Sanden auch sein Missfallen ausdrücken, was aber eigentlich verpönt und nicht so vorschriftskonform war. Einmal wollte mich ein Cliquenkollege, ein IWB-ler, an einer Baustelle verarschen und legte mir ein Massband auf die Schiene, so dass ich anhalten musste. Machte ich auch. Beim Weiterfahren verschwand der Kollege aber in einer respektablen Staubwolke, was ich wiederum am nächsten Stammtisch gutmachen musste.

Moderne Fahrzeuge haben einen Gleitschutz, der verhindert, dass die Räder blockieren. Bei älteren Trams war das schnell der Fall, wenn die Luftbremse zu früh eingesetzt wurde. Kam dann noch Sand dazu, bildeten sich an den Rädern Flachstellen. Das ergab dann das markante Klack-Klack bei jeder Umdrehung, manchmal recht laut. Die Anwohner auf dem Bruderholz wussten immer ungefähr, wo sich gerade ein Tram befindet. Bei den Be 4/4 konnte man versuchen, mit den Klotzbremsen und zusätzlich Sand die Flachstelle wieder herauszuschleifen. Dann wunderten sich die Passanten über das Tram im Sandsturm.

Der COMBINO hatte am Anfang grosse Probleme mit der Gleitschutz-Elektronik. Einmal hatte ich eine massive Panne: In der Unterführung beim Badischen Bahnhof aktivierte sich automatisch die Not-Aus-Funktion. Bei 45 km/h Vollabschaltung und völlige Blockierung der Räder! Da stand das Tram, Strom weg, keine Anzeigen mehr! Auch der Funk: Alles dunkel. Dann Stromabnehmer von Hand raufkurbeln, der Strom kam wieder und alles schaltete sich ein. Weiterfahren, doch der Wagen hatte derart eckige Räder, dass ich natürlich sofort ins Depot zurück musste. Den Fahrgästen musste nicht viel erklärt werden. Der COMBINO vibrierte und lärmte derart, dass sie das Tram beim Eglisee gerne verliessen…

Das letzte Tram

Wenn Geleise ersetzt werden müssen, passiert das meist in der zweiten Nachthälfte. Das letzte Tram zu fahren, ist dann immer etwas Spezielles. Schon eine Tour davor beginnen die Arbeiten. Die Arbeiter sind am Znüni (vor Mitternacht), der Tieflader mit den neuen Schienen und die Maschinen stehen bereit. Dann passiert man nun als letztes Tram die Baustelle: Alles mit Scheinwerfer geflutet, die Arbeiter stehen Spalier und man grüsst sich, macht vielleicht auch ein paar Sprüche und wünscht eine erfolgreiche Nacht. Nach der letzten Achse geht es los, denn ein paar Stunden später muss alles so erledigt sein, damit das erste Tram wieder fahren kann.

Etwas weniger Freude hatten die Arbeiter mal am Aeschenplatz: Mein letztes Tram fuhr um die Schlaufe in Richtung Depot Dreispitz. Da waren sie auch am Arbeiten, als ich mich näherte, schauten die mich an wie einen Alien. Mit gutem Grund, vor mir war die Weiche weg! Da gab es erst mal einen Anschiss! Dann zeigte ich dem Vorarbeiter die Fahrordnung, dass dies so geplant war. Jetzt fluchte er wie ein Rohrspatz, alles nicht sehr Jugendfrei! Zum Glück konnte ich mit dem Heckfahrschalter retour fahren und auf einer anderen Route ins Depot. Dort gab es den nächsten Anschiss vom Rangierer, der endlich Feierabend machen wollte!

Das letzte Tram: Ärgerlich, wenn man es verpasst! Be 6/8 308 am 18. Januar 2019 auf dem Wettsteinplatz.
© Dominik Madörin, CH-Ettingen (Bild-Nr. 14_706)

[Weiter]

Zuletzt aktualisiert am 21. November 2023 von Dominik Madörin